Dreimal heiße Luft

Hinz, Kunz, Schulz

Kaum etwas wird bewusst derart am Bürger vorbeiexerziert wie die Europäische Union: Drehtürfetischisten, Feindbildpflegekräfte und Parteisoldaten können und werden weiter auf dieser reformunfähigen Parlamentsaltlastenhalde überleben, sofern sich die in steuerfinanzierten Ledersesseln onanierende Eurokratie nicht irgendwann ihres Eheversprechens mit dem vergessenen Europäer entsinnt und von vorne anfängt. Selbst der Brexit-Warnschuss scheint dazu aber nicht anlassgebend genug gewesen zu sein, denn die SPD rekrutiert ihren Kanzlerkandidaten nun ausgerechnet aus den Reihen derer, die nicht nur die Griechen vernichtet und die Briten vertrieben, sondern auch ein Europa der Gegensätze statt Gemeinsamkeiten geschaffen haben.

Was haben wir alle schon über SPD-Kandidaten gelacht! Vom bayrischen Oberlehrer-Vogel über die Scharping-Schlaftablette mit tonalem Nachbrenner, einem Lobbyisten-Schröder im Schafspelz bis hin zu den eher uninteressanten als geheimnisvollen Unbekannten Steinmeier/-brück hat sich die vorgeblich sozialdemokratische Partei Deutschlands schon vieles erlaubt. Auch die heute befremdlich verklärte Zigarette mit Mundwerk Schmidt hatte mit Sozialdemokratie ungefähr so viel gemein wie ein Hund mit Hut. Da war der große Verständiger Brandt, welcher wagte, sprach, vereinte und aufrichtig Zeichen setzte doch ein ganz anderes Kaliber, nur sollte dieser wiederum dem nach außen geifernden und nach innen intrigierenden ewig gestrigen Wehner ein Dorn im Auge sein.

Es kann kaum wahr sein, dass eine anticharismatische meinungslose Langweilerin mit dem Antlitz einer im Kloster vergessenen Betschwester keine größere politische Konkurrenz hat als ebensolche männliche Pendants. Wie soll eine von der CDU/CSU dressierte SPD überhaupt noch funktionieren, wenn sie weder mehr etwas mit links noch sozial am Hut hat und stattdessen eine Kanzlermehrheitsbeschaffungspartei aus ihr geworden ist?

Die bisherige Lösung, einem konservativem Gegner einen nicht minder konservativen SPD-Kandidaten gegenüberzustellen führt allenfalls dazu, dass Stammwähler nach links wegbrechen und die SPD zur Neo-FDP wird. Allerdings ist dieser Posten bereits von unsteten Grünen, putzigen alten Naiven für Deutschland sowie dem, was nach Westerwelle von der FDP übrig blieb überbesetzt. Folglich weiß niemand mehr genau, wofür die SPD steht, da sie ein nicht fassbares Konstrukt für alles außer linken und seit der Schröderschen Kastration auch sozialen Ideen darstellt. Wurde die SPD damit zur besseren CDU/CSU oder war nicht just die reaktionäre CDU/CSU etwas, dessen Kopierschutz unter keinen Umständen umgangen werden sollte, da ansonsten der in sozialstaatlicher Schwindsucht kulminierende Neoliberalismus-Virus auch die SPD befallen würde? Über die Gier der Eurokraten kursieren bemerkenswert viele Anekdoten in Brüssel. So erzählte ein Flugreisender unlängst die schwer vorstellbare Geschichte einer überbuchten Maschine aus Wien. Die Fluggesellschaft bot dem enttäuschten Reisewilligen einen späteren Flug an, es sei denn, es werde überraschend doch noch ein Platz frei. Und siehe da, dies war der Fall. Scheinbar großzügig verzichtete ein Passagier auf seinen Platz und stellte diesen dem Wartenden zur Verfügung. Später stellte sich jedoch heraus, dass es sich dabei um einen Mitarbeiter der europäischen Kommission handelte, der daraus eine Masche machte, um so ein weiteres Zubrot von 150 Euro zu erlangen … Mit dem Hinz-Kunz-Schulz-Phänomen folgt unweigerlich das i-Tüpfelchen einer selbstzerstörerischen Strategie, die sich kaum ein Parteifeind hätte besser ausdenken können. Ausgerechnet ein Eurokrat aus dem Schlaraffenland übervergüteter politischer Faulenzer als Spitzenkandidat? Jenes reformunfähige Europa- wie bürgerfeindliche Wolkenkuckucksheim Brüsselburg, welches schon den Brexit-Befürwortern als Hauptargument zur Rechtfertigung eines als heimelig missverstandenen isolationistischen Rassismus galt? Und dieser Anti-Kandidat soll dann einen hausgemachten deutschen Bodensatz umerziehen können, der längst in den AfD-Kneipen besoffen unter dem Tisch liegt? Wohl kaum.

Solange es keine bürgernahe Europäische Union gibt ist die Rekrutierung politischen Personals aus deren Reihen wie ein Schlag ins Gesicht des Wählers und solange auch eine alle Ideen vernichtende Ochsentour Voraussetzung für eine SPD-Kanzlerkandidatur ist, wird aus dieser Partei nichts Ungewöhnliches hervorgehen. Und selbst wenn Hinz, Kunz, Schulz oder wer auch immer für die SPD wider Erwarten jemals mit der kleinsten vorstellbaren Mehrheit über einen politischen Kleingeist gleichen Kalibers siegen sollte, so wäre dem in letzter Konsequenz auch nichts Positives abzugewinnen. Auf einen Weiter-So-Schwätzer folgt der nächste, denen allesamt schon die hochvergütete Karriere-Drehtür offen steht, da sie zu anderen Daseinsformen als der Unternehmenshörigkeit nicht zu gebrauchen sind.

Nur werden Hinz-Kunz-Schulz, Kohl-Merkel-Seehofer sowie die alten Naiven für Deutschland den Wähler noch teuer zu stehen kommen, der in den nächsten paar Jahrzehnten nicht nur durch eine ungebremste Automatisierungswelle sein Einkommen schwinden und durch NATO-Kriegsabenteuer eine weiter ausufernde Völkerwanderung sehen wird. CDU/CSU wie SPD werden weiterhin gemeinsam die gesellschaftliche Lücke zwischen arm und reich vergrößern und echte fällige Reformen zugunsten des Sozialstaates und zugunsten einer vielschichtigen Gesellschaft des Miteinanders mit aller zur Verfügung stehenden Inkompetenz verhindern. Wer jetzt noch gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen ist, der sollte sich darauf gefasst machen, eines Tages Roboter um Almosen bitten zu müssen. Kein Arbeitsplatz wird mehr sicher sein, da Vollbeschäftigung immer schon die Volksparteien-Schimäre war, welche vor allem dazu diente, Wählern eine Grundschuld zugunsten wirtschaftsoptimierter Niedriglöhne aufzuerlegen.

Die SPD entzieht sich weiterhin ihrer Verantwortung den gesellschaftlich nicht nur benachteiligten, sondern auch vergessenen Wählern gegenüber. Sie richtet sich fortwährend damit nicht nur selbst zugrunde, sondern zerrt auch gleich noch den verbliebenen Sozialstaat mit in ihr feuchtes Grab.

David Andel