Hoagy Carmichael (1947)

Bonds Vergewaltigung

Darf ein Filmheld wie James Bond einfach so sterben? Scheinbar nicht, denn 007 stirbt seit 50 Jahren einen langsamen und qualvollen Tod. Und anstatt ihn endlich gehen zu lassen, wird fortwĂ€hrend ĂŒber weitere lebenserhaltende Maßnahmen nachgedacht. Was bleibt, ist nurmehr eine Bond-HĂŒlle.

Im November 1977 wollte ein dreizehnjĂ€hriger Fan in der (sehr) verschlafenen Hauptstadt Luxemburgs seinen ersten Bond im Kino anschauen und scheiterte klĂ€glich. Die Altersfreigabe war ab 14 und das erzkatholische Großherzogtum von den alles andere als glaubwĂŒrdigen Liebesszenen in The Spy Who Loved Me (Der Spion, der mich liebte, 1977) derart beeindruckt, dass die Gefahr, unschuldige Kinderseelen ins Verderben zu stĂŒrzen, mit aller Macht gebannt werden musste. Zum GlĂŒck fuhren die Eltern des enttĂ€uschten KinogĂ€ngers kurz nach Paris, wo der Streifen auf den Champs-ÉlysĂ©es in einem Lichtspielhaus ohne AltersbeschrĂ€nkung vorgefĂŒhrt werden sollte. WĂ€hrend ihr Filius sich vom Kampf Curd JĂŒrgens alias Stromberg gegen Roger Moore alias 007 mitreißen ließ, tranken die Erwachsenen ihr GlĂ€schen Wein nebenan. Was sie nicht wussten, war, dass der Film ganz woanders zu sehen war und das nahe liegende Kino lediglich fĂŒr ihn warb. Das hielt den jungen Bond-Fan noch lĂ€ngst nicht davon ab, die zwanzig Minuten Fußmarsch anzutreten und sein Filmerlebnis im richtigen Kinosaal zu genießen. GemĂ€ĂŸ Murphys Gesetz lief der Film dort schon seit fast einer Stunde, sodass dies die darauffolgende erneute VorfĂŒhrung richten sollte – in Paris durfte man das. Auf diese Weise dauerte der Film samt Fußmarsch lĂ€ppische drei Stunden, wĂ€hrend das ursprĂŒngliche falsche Kino neben dem CafĂ© wegen eines (angedrohten?) Anschlags mit großem Polizeiaufgebot gerĂ€umt wurde. Weitere Details sollen den Leser nicht stören, das Wiedersehen mit den Eltern war aber ein sehr freudiges und der damals DreizehnjĂ€hrige der mittlerweile etwas gelĂ€uterte Verfasser dieser Zeilen.

Das erste Dutzend Bond-Verfilmungen war WohlfĂŒhlkino fĂŒr Jungs mit phantastischen TrĂ€umen. Am Ende fast aller 007-Abenteuer gab es zwar eine MassenschlĂ€gerei mit allerlei Explosionen, doch war die kaum mehr als Beiwerk. Bond, James Bond – eine Vorstellung, zumindest so berĂŒhmt wie die Werbeslogans vom Tiger im Tank oder endlos laufender Volkswagen. Der James Bond der Romane trinkt zu viel, isst zu ungesund, setzt sein Leben viel zu oft aufs Spiel und hat viel zu viele AffĂ€ren. Er kennt sich aber in der Welt der FĂŒnfziger ausgezeichnet aus und ĂŒbersteht daher unter oft starken körperlichen Leiden die abenteuerlichsten Geschichten. Mit der Wirklichkeit eines Geheimagenten haben natĂŒrlich weder die BĂŒcher noch die Filme etwas zu tun, manche echte Vertreter des zweitĂ€ltesten Gewerbes der Welt dĂŒrften sich dies aber durchaus gewĂŒnscht haben, denkt man beispielsweise an die verkrachte Existenz des „Champagnerspions“ Wolfgang Lotz, der sein irdisches Dasein mit dem Verkauf von Angelruten in MĂŒnchen abschließen musste.

Die kommerzielle Flanke des Wokismus droht nun diesen ĂŒbersexuellen Helden wunderbar gestriger Literatur nicht nur ein fĂŒr allemal zu entmannen, sondern auch noch ganz tief ins Kellergeschoss der Gewöhnlichkeit herunter zu befördern. Eine politisch korrekte multiethnische Spionage-Amazone, die sich wie Lara Croft durch ein Universum des Unfugs kĂ€mpft, braucht die Welt gewiss nicht ein weiteres Mal. Wozu das Ganze noch, wenn all dies in werbeverseuchten Umsetzungen stattfindet, die nichts mit ihren Romanvorlagen zu tun haben, die wiederum nichts mit der banalen RealitĂ€t zu schaffen haben? Fast scheint es so, dass die Sehnsucht nach alten Tagen zwar immer noch ĂŒberwiegt, unsere Gegenwart aber nicht mehr dazu in der Lage ist, angenehme TrĂ€ume, so albern sie auch sein mögen, ĂŒberhaupt noch ohne Hintergedanken zu transportieren. Was bleibt denn bitte schön, wenn sĂ€mtliche Phantasien ausgenutzt oder wegrationalisiert werden?

Flemings Bond-Romane (2014)
Flemings Bond-Romane in einer Neuedition (2014) von Cross Cult Entertainment

Die FĂŒnfziger waren eine Zeit, in der sich Reisende mit lauten und langsamen Flugzeugen von Stadt zu Stadt oder Kontinent zu Kontinent quĂ€lten. Dies lief nicht ohne Zwischenlandungen ab, wĂ€hrend derer Passagiere gut zu essen pflegten und miteinander ins GesprĂ€ch kamen. Es war die Epoche, in der es noch den erbitterten Kampf zwischen Kapitalismus und Kommunismus gab und sich unter jedem verstaubten Teppich ein alter Nazi fand. Frauen trugen Frauenkleider, MĂ€nner soffen und rauchten und Kinder spielten auch außerhalb des hĂ€uslichen Hochsicherheitstrakts. In vielen Berufen und an vielen Orten gab es prĂ€zise Vorschriften bis ins kleinste Detail. So trugen Mitarbeiter von IBM blaue AnzĂŒge und Stewardessen vieler Fluglinien durften weder heiraten noch altern.

Vorname: JAMES. GrĂ¶ĂŸe: 183 Zentimeter; Gewicht: 76 Kilogramm; schlanker Körperbau. Augenfarbe: blau, Haarfarbe: schwarz. Narben auf der rechten Wange und linken Schulter. Spuren plastischer Chirurgie am rechten HandrĂŒcken; vielseitig begabter Athlet; Experte im Schusswaffengebrauch, Boxer, Messerwerfer; benutzt keine Verkleidungen. Fremdsprachen: Französisch und Deutsch. Starker Raucher (besondere Zigarettenmarke mit drei goldenen Ringen); Laster: Alkohol, aber nicht im Übermaß, und Frauen. Ist vermutlich nicht bestechlich.

Auszug aus LiebesgrĂŒĂŸe aus Moskau, Seite 76ff.

In den Bond-Romanen floss Alkohol in Strömen, insbesondere Wodka Martini oder die Fleming-Version namens Vesper (wie Vesper Lynd). Die Rezeptur dazu findet sich im ersten Bond-Roman, leider gibt es den erforderlichen Kina Lillet seit 1986 nicht mehr, wĂ€hrend die verbliebene Variante Lillet Blanc weniger Chinin enthĂ€lt. Bond aß ĂŒppig und trank dazu grundsĂ€tzlich etwas auf oder gegen seine Gesundheit. Man „brauchte“ immer wieder einen Drink, um ĂŒberhaupt wieder auf vernĂŒnftige Gedanken kommen zu können, nach allerlei Attentaten auch mental wieder zu den Lebenden zurĂŒckzukehren oder schlicht Mut zu finden. Selbst gewissen Rauschmitteln konnte Bond etwas abgewinnen, wenn er etwas bestimmtes erreichen wollte.

Wie lĂ€sst sich dies mit der Gegenwart vereinbaren? Gar nicht gut. In unseren Tagen ist zwar jeder darum bemĂŒht, besonders große Toleranz zu Ă€ußern, nicht aber unbedingt zu leben, eher den Tod so lustlos wie nur vorstellbar möglichst lange hinauszuzögern. TatsĂ€chlich gibt es mittlerweile mehr und vor allem unausgesprochene Regeln als zu Zeiten Flemings ausgesprochene und spĂ€ter im Rahmen zahlloser vermeintlich emanzipatorischer Routinen bekĂ€mpfter. Altmodisch-unbeholfenes Flirten zwischen Mann und Frau fĂ€llt in den Bereich sexueller BelĂ€stigung, das TĂ€tscheln des Kopfes eines fremden Kindes hat einen mĂŒtterlichen Wutausbruch zur Folge und zwischen Nichtrauchern und Rauchern herrscht zumindest kalter Krieg. Das mag zwar alles irgendwie berechtigt sein, Fleming hĂ€tte dem aber nichts abgewonnen.

Was machen Filmproduzenten also, wenn ein Dauerheld sozusagen aus der Zeit rutscht? Seit Roger Moore versuchen sie es mit Klamauk und Action, seit Timothy Dalton nur noch mit Action. Obgleich Moore von Anfang an fĂŒr die Rolle vorgesehen, aufgrund seines ĂŒberfĂŒllten Terminkalenders niemals aber verfĂŒgbar war, kamen zunĂ€chst der ironische Alpha-Schotte Connery und dann der australische KleiderstĂ€nder Lazenby an die Reihe. Die sieben Filme, die sie ablieferten, können sich bis heute sehen lassen, zumal sie die einzigen bleiben sollten, die zumindest stellenweise mit den Romanen Gemeinsamkeiten vorweisen.

Bonds Fußstapfen
In Bonds Fußstapfen kann heute jeder treten, so er dies möchte.

Heute wissen wir, dass in US-Cartoons eine gewisse Ausdrucksweise einem bestimmten Bestandteil der US-Bevölkerung zuzuordnen ist. Disneys Goofy mag fĂŒr viele von Erika Fuchs erfolgreich umerzogene Deutsche einfach des Mausheldens bester Freund sein, im US-amerikanischen Original spricht er jedoch wie die Karikatur eines Afroamerikaners, dessen Name suggeriert, er wĂ€re einfĂ€ltig, was er mit seinen Handlungen zudem fortwĂ€hrend bestĂ€tigt. Auch in Flemings Werk wimmelt es von solch althergebrachten Stereotypen. Von Weißen ist nie die Rede, von Negern aber allemal. Und Bond erkennt auch sofort, wenn er es mit einem Juden zu tun hat. Heute gĂ€lte Bond daher als Rassist, was aber so gut wie fĂŒr alle seine „weißen“ Zeitgenossen damals der Fall war.

Wird diese ĂŒberholte Ausdrucksweise mit der Brille politischer Korrektheit oder anderer Manipulationen ĂŒberarbeitet, dann ist das wie schon bei Frau Fuchs der Fall nicht weniger als GeschichtsverfĂ€lschung. Die Bond-Romane leben buchstĂ€blich von der Beschreibung ĂŒberholter Gesellschaftsmuster. Werden diese aufgeweicht oder gar entfernt, dann entsteht daraus vielleicht etwas, was unsere nur noch selten ertrĂ€gliche Erwartungshaltung scheinbefriedigt, mit der EigentĂŒmlichkeit jener Tage, in der die Geschichten spielen, hat das dann aber nichts mehr zu tun. Ob solch angepasste Abenteuerromane ĂŒberhaupt sinnvoll oder auch nur lesenswert sind, sei dahingestellt.

Bis das erste Bond-Abenteuer Flemings Casino Royale Bestandteil der Eon-Filme wurde, vergingen Jahrzehnte. Die erste Verfilmung fĂŒrs Kino fand außerhalb der Connery-Reihe statt und hatte es in sich. Vielen damaligen Zuschauern dĂŒrfte es heute nicht zuletzt altersbedingt schwerfallen, die beiden Klamaukorgien What‘s New Pussycat (1965) und Casino Royale (1967) ĂŒberhaupt auseinanderzuhalten, zumal sich einer noch auf den anderen bezieht, da Peter O’Toole nach 105 Minuten in letzterem ohne jeden Zusammenhang Dudelsack-spielend durchs Bild lĂ€uft, wĂ€hrend er in ersterem die Hauptrolle spielt.

Der Roman ist eher dĂŒster und Kind des Kalten Krieges. Aus heutiger Sicht ĂŒberraschend ist daher auch die fast durchgehende Löschung des Ost-Westkonflikts in den ersten Eon-Verfilmungen. In den Connery-Filmen wurde dazu eigens eine Organisation namens S.P.E.C.T.R.E. erfunden, die im Gegensatz zu den Romanen die Konkurrenz zwischen Warschauer Pakt und NATO zur Nebensache erklĂ€rt und aus London, Moskau und Washington so etwas wie ĂŒberstaatliche Kompagnons im Kampf gegen eine erpresserische Unterwelt-UNO macht. Garniert wurde das Ganze mit einem Filmbösewicht namens Ernst Stavro Blofeld, der bei jedem Auftritt anders aussah, ebenso wie Bond-Kumpel Felix Leiter, der zwar schon in den Romanen vorkam, in Live And Let Die aber nicht ganz unbedeutende Bestandteile seines Körpers einbĂŒĂŸte, die CIA verließ und fĂŒr Pinkerton arbeitete.

Mit Roger Moore ließen die Produzenten der Filme S.P.E.C.T.R.E. zunĂ€chst fallen und in The Living Daylights (Im Angesicht des Todes) kehrte Bond in den Kalten Krieg zurĂŒck, was aus heutiger Sicht zumindest bedauerlich ist, da die mediale Abwesenheit plumper Ost-West-Propaganda den Wert einer Urlaubsreise hat. Erinnerungen an die Nachkriegszeit Deutschlands werden wach, in der alte Kameraden noch derart omniprĂ€sent waren, dass in der deutschen Version von Hitchcocks Notorious (BerĂŒchtigt, 1946) die Nazis wegsynchronisiert und zu Drogenschmugglern wurden, was den ersten deutschen Titel Weißes Gift erklĂ€rt, obgleich das fragliche „Gift“ Uran und somit schwarz war. Es wĂ€re kaum mehr verwunderlich, wĂŒrden im wenig verheißungsvoll kriegstĂŒchtigen Deutschland Filme wieder auf eine Weise nachbehandelt, damit vor allem bei Langzeitarbeitslosen entsprechender Blutdurst entsteht.

Als Herschel „Harry“ Saltzman aus dem Bond-Business ausstieg, sich auszahlen ließ und sich mit der Verfilmung dreier Romane von Len Deighton nach mehr intellektueller und kultivierter Substanz sehnte, ging es mit James Bond wenig ĂŒberraschend abwĂ€rts. Albert R. Broccoli war der eindeutig kommerziellere der beiden Produzenten und schon sein erstes alleiniges Projekt The Spy Who Loved Me (Der Spion, der mich liebte, 1977) bot keinen Anlass zum Optimismus. Die Filmmusik von Marvin Hamlisch war schrecklich und die Auftritte des HĂŒnen Richard Kiel peinlich. Nun war klar, dass die Fleming-Verfilmungen nur noch fĂŒr Kommerzistan hergestellt wĂŒrden.

Live And Let Die (1973) Soundtrack
Marketing ist alles: opulente US-Erstauflage des Soundtracks von Live And Let Die (Leben und sterben lassen, 1973)

WĂ€hrend am Anfang des Eon-Unternehmens etwa seitens der Autohersteller kaum Interesse daran bestand, ihre hochpreisigen Produkte fĂŒr die noch unbekannte Filmreihe zur VerfĂŒgung zu stellen, Ă€nderte sich dies mit zunehmendem Publikumserfolg schnell, sodass James Bond immer mehr zur Dauerwerbeveranstaltung auf der Leinwand wurde. Aber auch die Darsteller und das ĂŒbrige Produktionspersonal profitierten deutlich. Wer als Schauspieler in einem Bond mitwirkte, konnte sich – abgesehen von der Eintagsfliege George Lazenby vielleicht – anschließend seine Rollen aussuchen. Gleiches galt fĂŒr die Filmbauten von Ken Adams, der im weiteren Verlauf seiner Karriere sogar die Hilfe von Stanley Kubrick in Anspruch nehmen durfte. Insbesondere aber John Barry setzte sich mit seiner unvergleichlichen musikalischen Untermalung ein Denkmal, seine Musik war unverzichtbarer Bestandteil der bekanntesten Bond-Verfilmungen. Das ging so weit, dass man fĂŒr ihn einen kleinen Auftritt in Deadfall (Die Todesfalle, 1968) einbaute, was ordentlich missglĂŒckte, da Barry einer Darstellerin auf die lange Robe trat – eine Szene, die im Film verblieb.

Barrys Fehltritt
John Barrys Fehltritt in Deadfall (Die Todesfalle, 1968)

Auch nach dem Ende von Bonds Gegenspieler Blofeld und der Terrororganisation S.P.E.C.T.R.E. nĂ€hern sich BĂŒcher und Filme nicht einander an. So wird in Moonraker (1979) aus der Interkontinentalrakete eines Nazis zur Vernichtung Londons ein Space Shuttle zur GrĂŒndung einer neuen Herrenrasse. Im Roman ist Bösewicht Hugo Drax ein notdĂŒrftig zusammengeflicktes Opfer des Zweiten Weltkriegs und im Film dessen von Michel Lonsdale gespieltes filmisches Pendant ein optisch ansprechenderer Elon Musk mit besten Umgangsformen. Ironischerweise werden Drax im Roman „lonsdalische“ Eigenschaften zugesprochen, was in gewissen Kreisen umgangssprachlich jemanden mit schlechtem Geschmack beschreibt. Immerhin sieht man in einer der Szenen des Films ein altes Mercedes-Cabrio, das auch in einer sehr packend beschriebenen Verfolgungsjagd im Buch eine Rolle spielt, obgleich nicht das gleiche Modell. Aus Filmen, die zumindest noch vage auf den Romanen basierten, wurden nun Action-Happenings, die nurmehr die Namen der Romane enthielten.

Becoming Bond (2017)
Mehr als nur eine Eintagsfliege? Sehenswerte Lazenby-Doku Becoming Bond (2017).

Hoagy Carmichael (Titelbild), Komponist des unvergleichlichen Liedes Rockin’ Chair, das Louis Armstrong zumindest verewigt hat (und dem Verfasser dieser Zeilen die höchsten GlĂŒcksgefĂŒhle vermittelt), war einer jener MĂ€nner, an die Ian Fleming dachte, als er sich James Bond bildhaft vorstellte. Von Sean Connerys Erscheinungsbild war er zunĂ€chst enttĂ€uscht, bis er ihn dann gehen sah, was dieser offenkundig mĂ€nnlich genug beherrschte, um Fleming zufriedenzustellen. Die beiden Nachfolger George Lazenby und Roger Moore kannte Fleming aufgrund seines frĂŒhen Todes nicht mehr, von Moores zunehmend ironischer Darstellung des Romanhelden wĂ€re er vermutlich entsetzt gewesen. In den Filmen sollte Bond einen ĂŒberzeugenden Lebemann geben können, wozu nicht zuletzt Regisseur Terence Young beitrug, der dem eher grobschlĂ€chtigen ehemaligen Baggerfahrer, Bodybuilder, Drucker, Milchmann, Pferdekutscher und Möbelpolierer Connery die passenden Manieren beibrachte.

Daniel Craig in „Our Friends In The North“ (1996)
Daniel Craig in Our Friends In The North (1996)

Von den darauffolgenden Darstellern der Rolle des unwahrscheinlichen Geheimagenten muss man als Leser der Romane nicht weiter sprechen, sie passen ĂŒberhaupt nicht mehr zu dem Bild, das Fleming in seinen Romanen von Bond hatte und verkörpern am ehesten Gestalten des Actionfilms. Auf den in einem Action-Film fehlbesetzten Timothy Dalton folgten der farblose irische Serienheld Pierce Brosnan und ein Daniel Craig, der besser in der Nebenrolle eines gedrungenen Mordgesellen aufgehoben wĂ€re. Dass dem weitgehend unbekannten Briten Craig diese spezielle Rolle zuteil wurde, lĂ€sst darauf schließen, dass es auch ein Hund mit Hut hĂ€tte werden können. Der „Mann vom Bau“, wie manche Kritiker Craig nennen, weiß kaum zu ĂŒberzeugen, es sei denn, man lĂ€sst sĂ€mtliche Finessen der Romane außer Acht und erfreut sich an einem Action-Spektakel, in welchem 007 als eine Art unsterbliches Eichhörnchen vor endlosen Maschinenpistolensalven weghĂŒpft. Davon abgesehen gibt Craig nur Grimassen und dĂ€mliche SĂ€tze von sich, alles andere scheint sein Spiel sowie die FĂ€higkeit der Drehbuchautoren zu ĂŒbersteigen. Zwar erinnern sich Briten gern an Craig aufgrund des Achtteilers Our Friends In The North (1996), doch lag das am Drehbuch Peter Flannerys und nicht am Mann vom Bau.

Das heutige Publikum ist mit exzessiver Gewalt leicht zu beeindrucken, wovon die Rechteinhaber offenkundig nicht ablassen wollen, denn die Abtretung der Filmrechte steht fĂŒr sie außer Frage. Es wĂ€re aber dringend an der Zeit, eine neue Filmserie zu schaffen, die auf die letzten verbliebenen 007-Manierismen verzichtet, so ĂŒberhaupt noch welche ĂŒbrig sind. Was Broccoli und Nachkommen seit Saltzmans Aussteig aus James Bond gemacht haben, geht weit ĂŒber Verhunzung hinaus und ist nicht weniger als die fortwĂ€hrende Vergewaltigung einer literarischen Vorlage. Das Schicksal von James Bond ist dabei stellvertretend fĂŒr viele Entwicklungen unserer Tage. Zerstört wird mit aller Kraft, aufgebaut aber so gut wie nichts.

David Andel