Hipster in ihrem natĂŒrlichem Lebensraum

Hip hip Hipster?

Lifestyle-Laien rĂ€tseln: sind Hipster avantgardistische schwarze Jazzmusiker, frisch gewaschene Hippies oder ulkige bĂ€rtige MĂ€nner in HolzfĂ€llerhemden? Richtig, alles und nichts davon. AuffĂ€llig oft sieht man sie heute aber hinter einem Mac. Ob zurecht oder unrecht, Apple ist oft dabei, wenn sich irgendetwas tut. Das liegt daran, dass sich hinter dem Apfelsymbol GlobalisierungskrĂ€mpfe besser verleugnen und KreativitĂ€tsschĂŒbe besser zur Schau tragen lassen als dies hinter dem aufrichtigeren Medion-Statement möglich wĂ€re.

Obgleich oft völlig ĂŒberlaufen, unfreiwillig komisch und in Zeiten von Amazon & Co. unerklĂ€rlich sinnlos sind Apple-LĂ€den glĂ€nzend-riesig, leuchtend-frisch, verzaubernd-jung und nicht zuletzt zwanghaft-motiviert. Das hilft dabei, bedenkenlos Zeit und Geld zu verlieren und das wissen auch Hipster. Sie kaufen dort gern ein oder gehören gar zum Personal, obgleich die Uniform dann natĂŒrlich unvollendet ist.

Hipster sind davon abgesehen keine abermals unerklĂ€rliche oder missverstandene Jugendbewegung, die der öffentlich-rechtliche Herz-Jesu-TV-Kanal „Funk“ wahnsinnig gerne als kĂŒnftige GebĂŒhrenzahler hĂ€tte, sondern eine diffuse Gruppe erwachsener Zeitgenossen, die etwas geschafft haben, wozu eine ganze Generation unfĂ€higer wie ĂŒberflĂŒssiger Lokalpolitiker nie imstande war, nĂ€mlich einer verödeten Zivilgesellschaft mal ohne lustig machende Pillen auf die Beine zu helfen.

Die mittenfanatischen Vereinsmeier von CDU, FDP und SPD waren erwartungsgemĂ€ĂŸ erfolglos damit, heruntergekommene Viertel von GroßstĂ€dten derart aufzupeppen, dass am Ende mehr als die Pest der 99-Cent-LĂ€den darin vorgeherrscht hĂ€tte. Dauerhaft schlug jede noch so heftig erschwitzte wie ausgesessene und selten als solche ĂŒberhaupt verstĂ€ndliche Strategie fehl. LĂ€den kamen selten und gingen oft, Einkaufszentren mit unzĂ€hligen KleiderbĂŒgeln öffneten sich immer wieder nicht vorhandenen Besuchern und verstarben anschließend in der Einöde ihrer selbst manifestierten Sinnlosigkeit.

Hipster brauen Bier nach UrgroßvĂ€terart, trimmen BĂ€rte im Verdi-Stil, verkaufen hundert verschiedene MĂŒsli-Sorten oder rösten Kaffee direkt von der Plantage in die XL-Tasse. Wer kredenzt die geheimnisvollste Praline, wer presst den absonderlichsten Saft oder baut das unverstĂ€ndlichste MöbelstĂŒck? Im Hipsterviertel findet sich das alles und ganz viel mehr. Und je grĂ¶ĂŸer die Stadt, desto zahlreicher die Hipsterviertel. Junge MĂ€nner mit endlos-langen RauschebĂ€rten in Tankstellenoverall und Lederjacke, Frauen mit Bubikopf im Schottenkaro-Mini und Doc Martens – alles und nichts passt zusammen und ergibt auch noch im völligen Unsinn irgendwie Sinn.

Und auch wenn es in Hipster-NĂ€he meilenweit nach Gentrifizierung stinkt, dann ist das lĂ€ngst nicht deren Schuld. Verursacher sind eher jene, die den Hipstern wie mit dem Schwanz wedelnde Schoßhunde folgen, Immobilienmakler und frustrierte Neureiche meist. Die wollen dort sein, wo nach der lĂ€ngst geschlossenen Postfiliale nun die Post abgeht, dort wo die Hipster sich tummeln und die MacBook-Deckel gleich reihenweise aufgehen. Hipster kommunizieren mit der Welt und tun es ĂŒberall in der Welt.

Ob man es also will oder nicht, Hipster sind fĂŒr jede Großstadt weit weit besser als die hundertste ALDI- oder Lidl-Filiale, rĂ€tselhafte Hochpreis-Etablissements mit Mikrowellen-Bocuse, Stadien fĂŒr aggressiv-geifernde Bierbauchsportler oder jede Form von Sonnen- und Fitnessfetisch. Unsere ganz private und lokale Welt darf niemals stillstehen, sie muss sich immer drehen, sonst werden aus lebenden Menschen verloren umherirrende Untote. Und wenn wir das dann alles verstanden haben, wĂ€chst uns vielleicht auch schon der Bart. Und im spiegelnden Bildschirm des MacBook erscheint es dann – ein Bild von einem Hipster.

David Andel