Mohammad Mossadegh

Fluch der Vergangenheit

Mit seinem 2019 vollendeten Werk Coup 53 verwirklichte der iranisch-britische Dokumentarist Taghi Amirani ein ĂĽberfälliges Projekt der Aufklärung. Der persönlich wirkende, dennoch nicht minder sachlich protokollierende Film schildert beeindruckend vollständig in knapp 120 Minuten das Schicksal des letzten demokratisch legitimierten iranischen Premierministers Mohammad Mossadegh, den GroĂźbritannien und die USA aus Gier und GroĂźmannssucht mit Gewalt loswerden wollten und zeigt damit auf erschreckende Weise, wie dieser bis zum heutigen Tag zu spĂĽrende Akt brutaler Einflussnahme dazu fĂĽhrte, dass eine einseitige transatlantische Allianz zur Durchsetzung perfider Interessen die ganze Welt als ihr Marionettentheater handhabt.

Es war hauptsächlich der Staatsstreich zugunsten eines parasitär agierenden Ă–lkonzerns, der zwar groĂźzĂĽgig fremde Quellen ausbeutete, seinen Reichtum mit dem Land, in welchem sich diese befanden aber nicht teilen wollte. Die Anglo-Persian Oil Company (ab 1935 Anglo-Iranian Oil Company und ab 1954 British Petroleum Company) wurde im März 1951 zum Entsetzen des um eine zweite Amtszeit als britischer Regierungschef bemĂĽhten Kolonialismus-Fanatikers Winston Churchill von der iranischen Regierung unter Präsident Mohammad Mossadegh verstaatlicht. Deren Erdölförderrechte waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts fĂĽr 20.000 Pfund Sterling sowie Anteile an der zu grĂĽndenden Aktiengesellschaft in gleicher Höhe erstanden worden, fĂĽr die es im Gegenzug eine ĂĽber sechzig Jahre währende Konzession zur Erkundung und Ausbeutung von Erdöllagerstätten ĂĽber ein Gebiet von einer sagenhaften halben Million Quadratmeilen gab. Von 1901 bis Ende 1905 hatte der britische Unternehmer William Knox D’Arcy erfolglos eine viertel Million Pfund Sterling in die Ă–lsuche investiert. Mithilfe des zusätzlichen Partners Burmah Oil wurde die Ă–lsuche im Iran mit weiteren 100.000 ÂŁ finanziert, was anfangs ebensowenig zu ertragreichen Quellen fĂĽhrte. Drei Jahre nach Ăśbernahme der Konzession von D’Arcy stieĂź Burma Oil jedoch am 26. Mai 1908 in Masdsched Soleyman in 360 Metern Tiefe auf Ă–l – es sollte eines der größten Ă–lfelder der Welt sein.

Der Versuch Mossadeghs, die Rechte des Schahs einzuschränken, führte am 17.8.1953 zu seiner Absetzung durch Schah Mohammed Resa. Als Mossadegh sich weigerte zurückzutreten, wurde er von der Armee unter General Sahedi am 19.8. gestürzt.

Der Versuch Mossadeghs, die Rechte des Schahs einzuschränken, führte am 17.8.1953 zu seiner Absetzung durch Schah Mohammed Resa. Als Mossadegh sich weigerte zurückzutreten, wurde er von der Armee unter General Sahedi am 19.8. gestürzt.

Zwei der knappen 23 Zeilen ĂĽber Mossadegh aus der Brockhaus-Enzyklopädie von 1971

Im Vergleich zu den ARAMCO-Beteiligungen von 50% an den Einnahmen der Ă–lfelder im Falle von Saudi-Arabien und hinsichtlich des enormen Fundes in Masdsched Soleyman war der fĂĽr Persien eher bescheiden ausgefallene Handel auf lange Sicht nur schwer erträglich. Da die APOC aber nicht bereit war, die vor Jahrzehnten beschlossenen Verträge neu auszuhandeln, erfolgte die parlamentarische Entscheidung zur Verstaatlichung unter Premierminister Hossein Ala am 15. März 1951. Die Ă–lanlagen der AIOC wurden von der neu gegrĂĽndeten National Iranian Oil Company (NIOC) ĂĽbernommen, woraufhin GroĂźbritannien vergeblich eine Klage gegen die iranische Regierung vor dem internationalen Gerichtshof einreichte.

Folglich sollte der demokratisch gewählte persische Präsident Mossadegh in einem beispiellosen Coup von MI6 und CIA mit dem Decknamen TPAJAX („TP“ fĂĽr Tudeh-Party und „AJAX“ fĂĽr das Reinigungsmittel von Colgate-Palmolive) abgesetzt werden, sanktioniert nicht nur vom britischen Premier, sondern am 11. Juli 1953 auch vom US-amerikanischen Präsidenten Dwight D. Eisenhower (der mit dem militärisch-industriellen Komplex). Die seit 2013 öffentlich gemachten US-Dokumente geben Auskunft darĂĽber, dass der ursprĂĽngliche Plan zunächst scheiterte, Mossadegh durch den Schah zu entlassen und General Zahedi zum neuen Premierminister zu ernennen, da Mossadegh sich widersetzte und an seinem Amt festhielt. Am 4. April 1953 gibt CIA-Direktor Allen Dulles eine weitere Million US-Dollar zur UnterstĂĽtzung der BemĂĽhungen frei, die zum Fall Mossadeghs fĂĽhren sollten. Am 20. April 1953 wird Polizeichef Mahmoud Afshartous entfĂĽhrt, brutal gefoltert und laut dem Tudeh-Mitglied Fereydoun Azarnour vom Soldaten Ahmad Pahlavan ermordet, die Leiche wird öffentlichkeitswirksam auf die StraĂźe geworfen. Am 11. Juli 1953 besprechen Churchill und Eisenhower die weitere Vorgehensweise. CIA-Mann Kermit Roosevelt begibt sich am 19. Juli unter dem Decknamen James Lochridge mit Koffern voller Geld ĂĽber die irakische Grenze in den Iran. Gekauft wird eine mediale Propagandaschlacht, in deren Verlauf Mossadegh unter anderem als Jude, Homosexueller, Kommunist und britischer Spion denunziert wird. Am 19. August 1953 organisiert GroĂźajatollah Hossein Borudscherdi landesweit Pro-Schah-Demonstrationen, noch am gleichen Tag tritt Mossadegh ab. Der Nazi-Sympathisant und ĂĽberzeugte Monarchist Fazlollah Zahedis löst ihn ab.

Es folgt die Alleinherrschaft einer westlichen Marionette, dem größenwahnsinnigen „Schah“ von Persien, selbstdeklariertes „Licht der Arier“. Mossadegh stirbt am 5. März 1967 vereinsamt unter Hausarrest. Der Wahn des Pahlavi-Regimes kennt keine Grenzen. Mitte Oktober 1971 lässt sich Pahlavi, dessen Familie aus ärmsten Verhältnissen stammt, unter dem Vorwand einer â€ž2500-Jahr-Feier der Iranischen Monarchie“ in der WĂĽste des ehemaligen Persepolis im Rahmen einer Propagandaveranstaltung irrsinniger Größe bejubeln. Festgehalten wird die Schmierenkomödie, während derer sich fast 70 Staatsgäste aus aller Herren Länder fett fressen im Film â€žFlames Of Persia“ (Die Flammen Persiens), zu dem Orson Welles den Kommentar spricht.

Das zwar westlich geprägte aber brutale Pahlavi-Regime mit seinem auch international gegen Exil-Iraner aktiven Geheimdienst SAVAK findet sein unrĂĽhmliches Ende durch die Islamische Revolution und RĂĽckkehr des Ajatollah Ruhollah Chomeini aus dem französischen Exil. Der absurde Monarch Mohammad Reza Pahlavi verstirbt am 27. Juli 1980 in einem Kairoer Krankenhaus an den Folgen der Krebserkrankung Morbus Waldenström, nachdem er sich jahrelang einer chemotherapeutischen Behandlung verweigerte. Wie der ebenfalls entthronte und 1965 im italienischen Exil verstorbene ägyptische König Faruk fand Pahlavi seine letzte Ruhestätte an der Seite seines politisch kaum legitimeren Vaters Reza Chan in der Kairoer ar-Rifa’i-Moschee.

Plakat von Coup 53

Aufklärung betreibt Coup 53 vor allem mit der Recherchearbeit um den Zeitzeugen und Mitverschwörer Norman Darbyshire, der zuvor zwar schon im Rahmen der britischen Dokumentation â€žEnd Of Empire“ eine Rolle spielte, dort jedoch nicht zu Wort kam. In den Unterlagen zur siebten Folge der Dokumentation findet sich ein Interview des Drahtziehers und ehemaligen MI6-Mitarbeiters, das niemals ausgestrahlt wurde, in welchem Darbyshire aber mit spĂĽrbarem Stolz von seinen Machenschaften zur Beseitigung Mossadeghs sowie auch seiner Beteiligung an der Ermordung des damaligen Polizeichefs Mahmoud Afshartous spricht. Da die Aufnahmen des Gesprächs zwischenzeitlich auf geheimnisvolle Weiseverschwunden sind, wurden diese fĂĽr Coup 53 vom britischen Schauspieler Ralph Fiennes nachgestellt.

Die Fragen, die sich unweigerlich ein jeder Zuschauer stellen muss, der nicht nur Coup 53 gesehen hat, sondern auch Zeitzeuge der widerrechtlichen Vorgehensweisen anderer Angriffskriege der britisch-amerikanischen Militärallianz der letzten Jahre wurde, sind immer dieselben: welchen Wert kann irgendeine wie auch immer geartete Verurteilung eines Staates seitens der britischen oder US-amerikanischen Regierung ĂĽberhaupt noch haben? Was genau spielen so genannte Demokratien fĂĽr eine Rolle, die sich ohne RĂĽcksicht auf Verluste ĂĽber die Interessen und Regierungen anderer Staaten hinwegsetzen, wenn nicht die eines Schurkenstaates? Und was sagt dies letztlich auch ĂĽber die Staaten aus, die sich als die VerbĂĽndete solcher Schurkenstaaten sehen? Die Mossadegh-Affäre und deren niederschmetternde Einmischungsbilanz ist und bleibt keine Ausnahme. Der Irak, Syrien, der Jemen und gewiss auch der Libanon sind nur einige von unzähligen Beispielen unmenschlicher wie unfassbar dummer aggressiver Vorgehensweisen. Was auf einem Schachbrett vielleicht wie eine zu gewinnende Partie aussieht, hat rein gar nichts mit der Wirklichkeit zu tun, so wie dies tagtäglich die Iraker, Palästinenser und Syrer dieser Welt am eigenen Leib erfahren mĂĽssen. Nach wie vor sollten die ĂĽblichen Verdächtigen, jene absurd hochgerĂĽsteten Armeen mit angeschlossener Bevölkerung, dazu veranlasst werden, Beweise dafĂĽr vorzulegen, dass ein Diktator vom Schlage Pahlavis besser sein soll als ein religiöser Fundamentalist der Couleur Chomeinis.

Im Dezember 1953 zu drei Jahren Haft verurteilt, lebte er seit 1956 völlig zurückgezogen.

Die Brockhaus-Enzyklopädie von 1971 ĂĽber das weitere Schicksal Mossadeghs

Woran sich manche erinnern werden, ist der kaum fassbare Kult der Regenbogenpresse und ihrer Leser um das Marionettenregime des Schah samt Familie auch und gerade in Deutschland. Hinzu kam eine aggressive Hetzkampagne der Springer-Blätter gegen alle Gegner des – israelfreundlichen – iranischen Diktators. So lieĂź sich sein faschistisches Regime während eines Staatsbesuchs am 2. Juni 1967 in West-Berlin von SAVAK-Mitgliedern und anderen bezahlten Iranern feiern, den so genannten Jubelpersern. Diese verhielten sich in Deutschland nicht anders als in Teheran und prĂĽgelten unter den Augen der zunächst untätigen deutschen Polizei auf demonstrierende deutsche Studenten ein. Im weiteren Verlauf der Auseinandersetzungen kam der Student Benno Ohnesorg durch den gezielten Kopfschuss des deutschen Polizisten und geheimen Stasi-Mitarbeiters Karl-Heinz Kurras ums Leben, was als der Beginn der Radikalisierung der RAF gesehen wird. Ăśber die genauen TathintergrĂĽnde besteht bis zum heutigen Tag Unklarheit.

Die mithilfe von Walter Murch produzierte Dokumentation Coup 53 ist derzeit leider regional nur sehr begrenzt verfĂĽgbar und hätte zumindest eine groĂźe internationale Streaming-Plattform als Anerkennung fĂĽr viele Jahre akribisch zusammengetragener wie bislang einmaliger Details verdient. Bleibt zu hoffen, dass ihn nicht die bisherige Strategie der Vertuschung einer breiteren internationalen Ă–ffentlichkeit vorenthält.

David Andel