Kein Anschluss

Das Tor zur Welt fiel zu

Selten fĂ€llt eine Internetverbindung mal fĂŒr mehr als nur einen kurzen Zeitraum aus. Dennoch kommt es vor, so auch beim Verfasser dieser Zeilen. Mit ihm verloren 5.500 Kunden eines kleinen DSL-Providers fĂŒr eine Woche ihren Internetzugang, vorausgegangen war ein Rechnungsstreit mit dem örtlichen Ex-Monopolisten. Es geschah an einem Mittwoch frĂŒh, das ADSL2+-Modem fand keine Gegenstelle zum Synchronisieren mehr, die vom Anbieter vorschnell genannten Ursachen und Zeitangaben stellten sich nach und nach allesamt als falsch heraus, es folgten gegenseitige Schuldzuweisungen und spĂ€ter auch eine einstweilige VerfĂŒgung des kleinen Dienstleisters gegen den großen Telekommunikationsriesen, in deren weiterem Verlauf die Leitungen binnen zehn Stunden wieder lauffĂ€hig gemacht werden mussten – das war allerdings erst eine geschlagene Woche spĂ€ter. Das Ganze geschah nicht irgendwo in Deutschland, sondern in Europas Hauptstadt BrĂŒssel.

Tritt ein solcher Fall ein, wird ĂŒberdeutlich, wie sehr ein Computer an Wert einbĂŒĂŸt, hat er keinen Kontakt mehr zur Welt. Nicht der Computer allein ist es letztlich, der einem das Leben durch alle möglichen Rationalisierungsmaßnahmen erleichtert, nein, es ist der mit dem Netz der Netze verbundene Rechenknecht. Ohne Kontakt zu allen möglichen Servern erscheint selbst ein noch so schneller und komfortabler Mac auffallend einfallslos. Und was nĂŒtzt einem schon ein perfektes AirPort-Netz, wenn man sonst nur noch einen anderen Mac zum Kommunizieren hat? Ein Computer ist dann nicht mehr allzu weit von einem Fernseher ohne Antennenkabel, einem Mobiltelefon ohne SIM-Karte, einem Automobil ohne Kraftstoff oder einer Taschenlampe ohne Batterien entfernt.

Wer dann meint, es gĂ€be ja genĂŒgend Alternativen zum festen Netz, der irrt natĂŒrlich. Offene WLANs sind extrem selten geworden und deren Nutzung in Deutschland mittlerweile sogar eine Straftat (Amtsgericht Wuppertal, Az. 22 Ds 70 Js 6906/06). Kommerzielle WLANs sind unter anderem hinsichtlich Geschwindigkeit und VerfĂŒgbarkeit auffĂ€llig ĂŒberteuert und Alternativen wie das noch eher behĂ€bige WiMAX auch keine Lösung, da sie ebenso den Abschluss teurer Jahresabos fordern.

Aber es gibt ja das Telefon! Nein, das gibt es nicht! Denn lĂ€ngst lĂ€uft alles ĂŒber VoIP, in der Theorie zuverlĂ€ssig, in der Praxis aber nur ĂŒber die eine Leitung laufend, von der spĂ€ter dann alles abhĂ€ngt. Das fĂŒhrt dazu, dass mit dem Internetanschluss auch der Telefon- und der Faxanschluss baden gehen. NatĂŒrlich lĂ€sst sich so auch keine Hotline anrufen, allenfalls noch teuer ĂŒber das gute alte Mobiltelefon. Zum GlĂŒck im UnglĂŒck ist der Provider aber vom Ansturm der Hilfesuchenden lĂ€ngst derart ĂŒberrannt, dass er sowieso nicht mehr abhebt 


Was tun in einem solchen Fall? Welche Lehre wĂ€re zu ziehen? Lohnt sich die monatliche Bezahlung einer DSL-Zweitleitung, damit man im Pannenfall stets unabhĂ€ngig ist? Nicht wirklich, denn wer will schon 51 Wochen lang fĂŒr etwas zahlen, was er nicht nutzt?

Wie heißt nochmals dieses Insekt im Garten auf Englisch? Wann und wo tritt der Lieblingsmusiker kommendes Wochenende genau auf? Ist die Voranmeldung der Umsatzsteuer per ELSTER noch termingerecht zu schaffen? Wie viel Geld ist noch auf diesem oder jenen Konto und welche Überweisungen stehen an? Fragen ĂŒber Fragen, die allesamt ohne Netz nur schwer zu klĂ€ren sind.

Recherche ohne Internet? Ja, das geht, aber es ist doppelt so zeitraubend. Selbst KoryphĂ€en ihrer Fachgebiete werden nur selten alle verfĂŒgbaren Werke ihres Ressorts in der aktuellsten Fassung zur VerfĂŒgung haben. Und Journalisten haben nicht selten mehr als nur ein Fachgebiet, ĂŒber das sich deren TĂ€tigkeit erstreckt. Es bleibt also ein GAU (GrĂ¶ĂŸter Anzunehmender Unfall), wenn das Tor zur Welt plötzlich zufĂ€llt.

David Andel