Tanzende Noten

Musikalischer Schmarotzer

Nicht wenige Entwickler leiden unter den restriktiven Regeln von Apples App Store, manche profitieren jedoch auch durch die Anwendung fragwĂŒrdiger Methoden. Die Anwendung „Classical“ fĂŒr schlappe 79 Cent ist ein besonders ĂŒbles Beispiel.

Man stelle sich vor, 330 Musiktitel, insgesamt 1,7 Gigabyte klassische Musik zu nur 79 Cent, welch ein SchnĂ€ppchen! Und das alles fĂŒr unterwegs kompakt wie ansprechend verpackt, am 18. Dezember unschlagbar reduziert von zuvor 799,99 Euro. Ob das nicht ein Fehler vom Hersteller oder sogar Apple ist? Schnell noch am Wochenende zugreifen, bevor es zu spĂ€t ist 


Aber halt, denn hier handelt es sich um ein bislang einmaliges Beispiel von teuer verpacktem Abfall. Schon das bloße Umlegen der 1,7 Gigabyte auf 330 Musiktitel lĂ€sst erahnen, dass es kein high-fideler Ohrenschmaus sein kann. Und selbst wer diese Überkomprimierung aus unerfindlichen GrĂŒnden noch als akzeptabel hinnimmt, wird ersten Rezensionen zufolge mit Rauschen, Knistern und anderen HintergrundgerĂ€uschen besonders verwöhnt. Die Aufnahmen in feinster 64-kBit-MonoqualitĂ€t stammen von anno dazumal, Geld hat der Hersteller dafĂŒr garantiert nicht bezahlt, denn wie sonst könnte er zum Preis von 79 Cent noch etwas damit verdienen? Die von Verwertungsrechten lĂ€ngst befreiten altersschwachen Aufnahmen sollten wohl nur dem einen Zweck dienen, nĂ€mlich dem schnellen Geld. Und obgleich von den 79 Cent noch eine ĂŒber dreißigprozentige Abgabe an Apple zu entrichten ist, dĂŒrften die 1,7 Gigabyte Datenvolumen Cupertino nicht gerade begeistern, bedenkt man zudem, dass durch den Multiplikationsfaktor so mancher Internetpostille, die den Mist als ladenswert bezeichnet hat, sich nicht gerade wenige unerfahrene Anwender davon hinreißen lassen, jenen DatenmĂŒll im App Store anzufordern.

Insgesamt gilt, dass nicht nur Datenwanderern ein FĂŒhrerschein abverlangt werden mĂŒsste, sondern auch moderne Technologien insgesamt besser erlernt und folglich auch verstanden werden mĂŒssten. Leider jedoch lĂ€sst die Mehrzahl der Forenkommentare hinsichtlich dieser Aktion nur den einen Schluss zu, dass auch junge Anwender, von denen man eine höhere Vertrautheit in Sachen Datenformaten erwartet hĂ€tte, wahllos 79 Cent investiert haben, denn man wollte sich ja schon immer mal in Sachen klassischer Musik fortbilden 


MP3 als das Kompressionsformat der spĂ€ten Neunziger schlechthin hatte seinen Siegeszug in Zeiten geringer Internet-Bandbreite und jenen heute als illegal gebrandmarkten Tauschbörsen wie Napster, Kazaa & Co. Zehn Jahre spĂ€ter allerdings ist ernĂŒchtert zu konstatieren, dass die ĂŒbliche MP3-QualitĂ€t Ohrenschund ist und entsorgt werden sollte. Im direkten Vergleich mit gegenĂŒber der Audio-CD verlustfreien Formaten verliert MP3 grundsĂ€tzlich, so dass sich natĂŒrlich der Verdacht aufdrĂ€ngt, dass MP3 nichts anderes war als ein Promotionsformat fĂŒr digitale Musikspieler geringer KapazitĂ€t, deren integrierte VerstĂ€rker und mitgelieferten Kopfhörer ohnehin nur selten dazu geeignet waren, akustische UnzulĂ€nglichkeiten zu enttarnen.

„Classical“ hat jedenfalls auf sehr hinterhĂ€ltig-eindrucksvolle Weise verdeutlicht, dass eine vermeintlich enorme Preissenkung und eine scheinbar umfassende Zusammenstellung ausreichend sind, um selbst mit dem grĂ¶ĂŸten Unfug noch Geld zu verdienen.

David Andel