Die so genannte Unterschicht in vergangenen Tagen

Unterschichten-Web

Analog zu unsĂ€glich irrelevanten TV-Inhalten aus Neun Live, MDR oder RTL/RTL2 gibt es Ă€hnlich großen Mist auch im World Wide Web. Nur besaß man dort die UnverschĂ€mtheit, das als eine Weiterentwicklung des Bisherigen zu vermarkten und erklĂ€rte die primitive GeschĂ€ftsgrundlage, Plattformen zum Sammeln und Austausch personenbezogener Daten zu schaffen, kurzerhand als Web 2.0.

Eines hatte dabei niemand erwartet, die durchschaubare BanalitĂ€t der Datensammler hatte unglaublichen Erfolg, wurde kopiert, wiederholt und unter stĂ€ndig anderen Markennamen in alle IP-Adresswinkel der Welt verbreitet. Und ganz so, als gĂ€be es den Musiktausch anno Napster noch, kamen sie wie die Fliegen, die Lieschen MĂŒller und Otto Normalverbraucher. Gerade mal in der Lage, den eigenen PC zu verstehen, brachen sie auf, ihre TagebĂŒcher und Stammtischkommentare einer breiten Öffentlichkeit zugĂ€nglich zu machen. Irgendwann tat der soziale Druck ein Übriges, und wer noch wissen wollte, was um ihn herum geschah, der meldete sich an.

NatĂŒrlich fĂŒhrte dies zu einer vorbildlich inzestuösen virtuellen Gemeinde, denn nur wer hinreichend naiv war, der akzeptierte es auch, ausschließlich ĂŒber diesen Weg die Bindung mit seinem sozialen Umfeld zu pflegen und begab sich in den Abgrund aus fremdem Voyeurismus, eigenem Exhibitionismus und orwellscher Überwachung. Und auch wer klĂŒger und erfahrener schien, widerstand nicht selten nur etwas lĂ€nger, denn in Zeiten sozialer KĂ€lte sind Einsamkeit, Kontaktscheu und Überarbeitung teuflische Ratgeber. Dass 2.0 fĂŒr die Unterschichten, die KellerrĂ€ume, die Abstellkammer oder die Kanalisation des Internet steht, wurde so manchem aber erst reichlich spĂ€t bewusst, zu spĂ€t.

Einhergehend mit zunehmender Gier und kreativer Impotenz werden große Konzerne immer aggressiver. Anstelle der eigenen InformationskanĂ€le werden bevorzugt die Buschtrommeln von Zuckerberg & Co. verwendet und erscheinen im inzestuösen Netz dadurch omniprĂ€sent, das parallele Universum bietet direkten Zugriff auf private WĂŒnsche und Brieftaschen, Zielgruppen werden zu Fans. „Wir unterstĂŒtzen jetzt Facebook“ heißt es auf vielen WWW-Seiten ganz so, als wĂ€re dies von unglaublichem Vorteil. „Wir unterstĂŒtzen jetzt auch Tor“ wĂŒrde dagegen niemand schreiben, denn AnonymitĂ€t ist Verweigerung und Verweigerer mĂŒssen teuer ĂŒberzeugt werden. Die eigenen Produkte durch pfiffige eigene Ideen im Netz zu verbreiten wĂŒrde aber Einfallsreichtum erfordern, nur ist genau das selten und kostbar. Stattdessen wird die Welt von Hinz und Kunz zum Maß aller Dinge und nichts entwickelt, nichts verbessert sich, nur das Web 2.0 wird immer grĂ¶ĂŸer. Der Aufbau sozialer Netze geht verblĂŒffend einher mit dem Abbau sozialer Leistungen. In der Not verĂ€ußert der Mensch wohl sein letztes DeckmĂ€ntelchen fĂŒr ein paar Momente kĂŒnstlicher Geselligkeit.

Traditionellere Nutzer des Internet empfinden grĂ¶ĂŸtenteils Desinteresse gegenĂŒber „Social Networking“-Diensten wie Classmates, Delicious, Facebook, Flickr, Flixster, Friendster, LinkedIn, MySpace, Ping, StayFriends, Twitter und XING, denn die bisherigen ausgereiften technischen Möglichkeiten des weltweiten Netzes sind vielfĂ€ltig und leistungsstark. Immerhin, die technische Substanz der 2.0-Datensekten ist so dĂŒnn, dass deren Verschwinden schon aufgrund der laufend neu entstehenden Konkurrenz nicht unwahrscheinlich ist, lĂ€ngst ist die Zielgruppe mit Namen und Diensten ĂŒberfordert.

David Andel