Der junge Arafat

Vor 20 Jahren starb Jassir Arafat

Zeit seines Lebens war er ein Flüchtling und wurde nicht auf heimatlichem Boden, sondern in der ägyptischen Nilmetropole Kairo geboren. Auch seinen Tod fand er außerhalb der verbliebenen Grenzen jenes Landes, für das er über 50 Jahre lang kämpfte. Am 11. November 2004 starb Muhammad Abd ar-Rahman Abd ar-Rauf Arafat al Kudwa al-Hussaini oder kurz Jassir Arafat im Alter von 69 Jahren im Militärkrankenhaus „Hôpital d’instruction des armées Percy“ in Clamart, im Südwesten von Paris.

Zwischen diesen beiden Stationen kam jener Mann, der zu einem der schlimmsten Alpträume des Zionismus werden sollte, in der ganzen Welt herum. Er stammte aus einer der beiden angesehensten konkurrierenden Familien palästinensischer Araber. Neben den palästinensisch-nationalistischen an-Naschaschibis waren das die panarabisch-prosyrischen al-Hussainis. Die an-Naschaschibis wurden im 20. Jahrhundert durch Raghib an-Naschaschibi, den ehemaligen Bürgermeister von Jerusalem, auch im Westen bekannt. In der palästinensischen Hauptstadt erinnert bis heute eine Tafel an ihn, da er dort am 9. Dezember 1924 die „King George V Avenue“ eingeweiht hatte. Sein Haus und seine letzte Ruhestätte hingegen musste einem der unzähligen Hotelkästen der beschlagnahmten Stadt weichen, obgleich sich in unmittelbarer Nähe das luxuriöse American Colony Hotel befindet, dem ehemaligen Palast des Rabbah Daoud Amin Efendi al-Hussaini, der später von Plato Grigorjewitsch Ustinow, dem Großvater Peter Ustinovs, zum Hotel umfunktioniert wurde.

Der Vorgänger an-Naschaschibis als Bürgermeister der Stadt war wenig überraschend ein al-Hussaini. Musa Kazim al-Hussaini stellte jedoch nicht das dar, was die britischen Behörden sich unter einem gehorsamen Politiker ausmalten, da er der erste Anführer der palästinensischen Nationalbewegung und damit ein Dorn im Auge der Kolonialisten war. Musa Kazim al-Hussaini verstarb 1934 an den Folgen von Verletzungen, die er sich während einer Demonstration gegen die britischen Besatzer zugezogen hatte.

Jassir Arafat (rechts) mit Schwester (Mitte) und Bruder Fathi (links) im Jahre 1942
Jassir Arafat (rechts) mit Schwester (Mitte) und Bruder Fathi (links) im Jahre 1942

Zu den al-Hussainis zählte auch Muhammad Amin al-Hussaini, der Großmufti von Jerusalem. Diesen stellt Israel heute gern als Kollaborateur der Deutschen während der Hitler-Diktatur dar. Ein befremdliches Märchen, das den einstigen deutschen Sondergesandten Fritz Grobba gewiss zum Schmunzeln verleitet hätte, wäre dies schließlich die Erfüllung seines Traums gewesen, die Interessen der Araber und Deutschen zu vereinen. Unter anderem der israelische Schauprozess um Adolf Eichmann sollte dies und etliches andere mit entsprechenden Zeugenaussagen belegen. Nicht mehr als eine deutsch-israelische Zwecklüge aber, die dazu dienlich sein soll, den palästinenensischen Widerstand zu diskreditieren und dessen Galionsfigur Jassir Arafat als Protégé des Großmuftis zum Zögling von Hitlers Gefolgschaft zu machen. Einer der glühendsten Anhänger jener zionistischen Fantasie, Großmufti al-Hussaini habe mit Deutschland gar gemeinsam die Ermordung aller Juden geplant, ist wenig überraschend der stets wie ein Fluch zurückkehrende, alte, neue und bislang niederträchtigste Ministerpräsident Israels: der notorisch wegen Korruption, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagte Bibi Netanjahu.

Fritz Grobba
Fritz Grobba

Jassir Arafats Leitmotiv war die palästinensische Unabhängigkeit innerhalb der Grenzen der historischen Region Palästina, sodass er schnell zum Feindbild des von Briten auf palästinensischem Boden neu geschaffenen Judenstaates wurde. Als er Ende der Sechziger mit seinen bewaffneten Aktionen zunehmend bekannt und damit für die USA wie auch Israel nur noch schwer zu ignorieren war, behandelte man ihn gemäß der Routine für politische Störenfriede bevorzugt als Terrorist. Mit seinem bewaffneten Kampf erreichte er jedoch, dass sich die Palästinenser von ihrem bloßen Flüchtlingsschicksal emanzipieren konnten und verhalf damit keine zwanzig Jahre nach der ebenfalls von Bombenterror stimulierten Staatsgründung Israels seinem Volk erstmalig zu Nationalbewusstsein. Juden und Palästinenser waren fortan auf Gedeih und Verderb Flüchtlinge, Opfer und Kämpfer am gleichen Ort, zur gleichen Zeit, die Anspruch auf die gleichen Staatsgrenzen und Stätten erhoben. Die reibungslose Stellvertreterkolonialisierung Palästinas, diesmal im Namen der Juden, war gescheitert.

Vom Terroristen zum Staatsmann

In deutschen Medien fand man lange Zeit keine Worte für Jassir Arafat. Der beliebte Begriff des „Palästinenserführers“ sagt bereits mehr über Deutschland aus als alles andere, hätte man doch das Wort „Judenführer“ für die Gegenseite tunlichst vermieden. Der Zionismus allerdings war nicht nur erfolgreich darin, die Bewohner Palästinas zu vertreiben, zu unterdrücken oder zu ermorden, sondern auch den Namen der Region von den Karten und aus unserer Erinnerung zu tilgen. Jassir Arafat oder „Abu Ammar“, wie sein nom de guerre zuweilen lautete, wurde das Sprachrohr jener um Land und Leben betrogener Araber, der Opfer der Opfer eines Deutschlands, das sich bis heute immer wieder aus der Verantwortung zieht. Palästina war und ist Deutschland peinlich, da Israel ihm als uneingeschränkter Ablass dienlich ist, um nicht mehr an die Konsequenzen seiner Taten aus zwei Weltkriegen erinnert werden zu müssen.

Ende der Fünfziger gründete Arafat die damals im Gegensatz zur PLA (Palästinensische Befreiungsarmee, der militärische Arm der PLO) noch unbewaffnete Fatah (Palästinensische Nationale Befreiungsbewegung), lernte 1961 in Katar Mahmut Abbas kennen und übersiedelte 1962 mit einigen Gefolgsleuten nach Syrien, das nach dem Putsch vom 27. September 1961 gerade im Zorn aus der Vereinigten Arabischen Republik (VAR) mit Ägypten ausgetreten war. Im Verlauf der Bewaffnung der Fatah sowie deren erster Einsätze kam es am 5. Mai 1966 während einer Konferenz zur Schlichtung von Spannungen zwischen Arafat und Ahmad Dschibril zum unvorgesehenen Tod von Jusuf Urabi, einem Freund und Berater von Hafis al-Assad. Arafat, obgleich wie Dschibril vom Ereignis abwesend, wurde daraufhin gefangen genommen und zum Tode verurteilt. Der syrische Präsident und Opponent Assads innerhalb der Baath-Partei Salah Dschadid begnadigte ihn kurz darauf und legte damit den Grundstein einer lebenslangen frostigen Beziehung Assads mit Arafat.

Als Ergebnis des für die arabische Welt desaströsen Sechstagekrieges 1967 erklärte der ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser Arafat zum „Anführer der Palästinenser“, woraufhin der PLO-Vorsitzende Ahmad as-Schukairi zurücktrat und die Aufnahme Arafats in die Organisation vorschlug. Inmitten von Chaos und Verlust als Kriegsfolgen hatte sich Arafats Fatah als stabiler Grundpfeiler für die Vertretung der Interessen der Palästinenser bewährt. Bei der späteren Zerstörung des Karama-Lagers in Jordanien konnten Arafats Kämpfer den israelischen Angreifern schwere Schäden zufügen. Dies beeindruckte den palästinensischen Nationalrat (PNC, Palestinian National Congress), was den Rücktritt des PLO-Vorsitzenden Jahia Hammuda zur Folge hatte. Der PLO-Vorsitz ging damit an Jassir Arafat.

In seiner neuen Rolle als PLO-Voritzender traf Arafat eine der folgenschwersten Entscheidungen seiner Karriere. Während ihm die jordanischen Truppen beim Angriff der israelischen Armee auf Karama noch zur Seite standen, da diese angesichts des massiven israelischen Aufmarschs davon ausgingen, es handle sich um einen Angriff auf ihre Grenzen – wie bereits zuvor mit den syrischen Golanhöhen geschehen –, wandte Arafat sich nun im Siegesrausch befindlich gen Jordanien.

Sprengung in Dawson's Field
Sprengung auf dem „Flugplatz der Revolution“ (Dawson’s Field)

Obgleich König Hussain angesichts zunehmender palästinensischer Präsenz und damit einhergehender Untergrabung seiner Autorität in seinem Königreich – im Juni 1970 entging er nur knapp einem Attentat – dem PLO-Vorsitzenden den Posten des stellvertretenden Ministerpräsidenten des Landes vorschlug, lehnte Arafat dies ab. Im darauffolgenden September folgten Flugzeugentführungen sowie die spektakuläre Sprengung dreier Passagierflugzeuge unter den Augen der jordanischen Behörden auf dem „Flugplatz der Revolution“, einem stillgelegten Luftwaffenstützpunkt namens Dawson’s Field nahe Zarka – heute wichtiger Industriestandort des Königreiches. Der kleine König entschloss sich, diese Missachtung seiner Herrschaft zu ahnden, was letztlich zu den Ereignissen des Schwarzen Septembers führte. Den 70.000 gut ausgestatteten Soldaten der jordanischen Armee, von denen 5.000 zu den Palästinensern überliefen, standen 100.000 weniger gut ausgestattete palästinensische Freischärler gegenüber, die später von Einheiten der syrischen Armee unterstützt wurden. Die ebenfalls in Jordanien befindlichen 17.000 irakischen Soldaten hielten sich allerdings dem Geschehen fern, obgleich Saddam Hussain ihren Einsatz befohlen hatte. Als König Hussain klar wurde, dass er dieser Übermacht nicht gewachsen war, beging er den für Araber unverzeihlichen Schritt, Israelis, Briten und US-Amerikaner um Hilfe zu bitten. Der Einsatz der nun von westlichen Streitkräften flankierten jordanischen Luftwaffe, der Syrien davon abhielt, seine eigenen Luftstreitkräfte aufs Spiel zu setzen, führte nach großen Verlusten der Aufständischen am 25. September zunächst zu einem brüchigen Waffenstillstand, während dem Arafat den Sturz des Königs forderte. Dieser wiederum verlangte daraufhin im Juni 1971 den Abzug aller palästinensischen Einheiten und setzte dies auch durch. Die letzten palästinensischen Kämpfer verließen Jordanien am 18. Juli 1971.

Unser grundlegendes Ziel ist es, das Land vom Mittelmeer bis zum Jordan zu befreien. Es geht uns nicht darum, was im Juni 1967 geschah oder um die Beseitigung der Folgen des Juni-Krieges. Der Grundsatz der palästinensischen Revolution ist es, das zionistische Gebilde aus unserem Land zu vertreiben und es zu befreien.

Jassir Arafat im August 1970

Damit war die letzte Chance auf einen palästinensischen Staat innerhalb der Grenzen Jordaniens und seiner von Israel okkupierten Westbank vertan. Hafis al-Assad machte den syrischen Präsidenten Dschadid später für das Versagen dieses Einsatzes persönlich verantwortlich. Dschadid wurde abgesetzt und verstarb 1993 im Gefängnis. Auch die Weigerung des irakischen Befehlshabers Hardan at-Tikriti, seine 17.000 Mann ins Geschehen eingreifen zu lassen, hatte Folgen. Zunächst wurde er von Saddam Hussain als Botschafter nach Algerien und Schweden entsandt. Am 30. März 1971 erlag er dann in einem Fahrzeug der irakischen Botschaft auf dem Weg zu einer Vorsorgeuntersuchung in einem Krankenhaus in Kuwait den Folgen eines Anschlags. Seine letzte Ruhestätte in Tikrit wurde im Februar 2014 von Einheiten des Daish (ISIS) gesprengt.

In einer Hand den Ă–lzweig
In einer Hand den Ölzweig (ISBN-10: ‎3926827106/ISBN-13: ‎978-3926827104)

Das neue PLO-Hauptquartier befand sich fortan im Libanon, dessen schwache Regierung den Staat der Vertriebenen im bereits multikonfessionellen Staate ermöglichte. Arafat war davon überzeugt, dass die PLO nur Gehör fände, setzte sie den zionistischen Staat weiterhin unter Druck. unter dem Namen „Kommando Schwarzer September“ folgten weitere Flugzeugentführungen, der Anschlag auf israelische Sportler während der Olympischen Spiele in München 1972 und die Ermordung zweier US- und eines belgischen Diplomaten 1973 in Khartum. 1974 schließlich hielt Arafat eine vielbeachtete Rede vor den Vereinten Nationen, in deren Verlauf er diesen mittlerweile berühmten Satz sprach:

Heute bin ich mit einem Ölzweig und der Waffe des Freiheitskämpfers gekommen. Lasst den Ölzweig nicht aus meiner Hand fallen. Ich wiederhole: Lasst den Ölzweig nicht aus meiner Hand fallen!

Jassir Arafat 1974 vor den Vereinten Nationen

Es folgten die düsteren Jahre des libanesischen Bürgerkriegs, dessen Beschreibung den Rahmen dieses Beitrags sprengen würde. Allein die Anwesenheit der palästinensischen Widerstandsbewegung im Libanon führte jedoch schnell zu Reibungen unter anderem mit christlich-rechtsextremen Phalangisten und weiteren Minderheiten, die den Libanon seit jeher zu einem religiös-ethnischen Pulverfass machen. Schon in der Libanonkrise von 1958 sehen manche Beobachter eines der ersten Symptome der von Zionisten verursachten palästinensischen Flüchtlingskrise, obgleich die Ursache eher beim Sykes-Picot-Abkommen von 1916 zu suchen sein dürfte, was unmögliche Grenzziehungen und damit unvereinbare Bevölkerungen zur Folge hatte. Arafats PLO war nur einer von vielen Faktoren, die zwischen 1975 und 1991 fast zur völligen Zerstörung des Zedernstaates führen sollten, diente jedoch abermals Israel als Rechtfertigung, einen seiner Nachbarn anzugreifen, was unter anderem das grausame Massaker von Sabra und Schatila nach sich zog.

Da Israel als strategisch bedeutsamer Stützpunkt der USA im Nahen Osten mit militärischen Mitteln nicht beizukommen war, geschah dies mit den bekannten Methoden des Freischärlers. Die Fatah bildete nicht zuletzt Mitglieder der RAF und anderer bewaffneter Feinde des transatlantischen Hegemons aus, was Arafat gewiss nicht zum Wunschpartner des Westens machte. Auch im neuen Sitz der PLO in Tunis wurde Arafat wiederholt zur Zielscheibe der Zionisten und entging im Rahmen der „Operation Holzbein“ am 1. Oktober 1985 nur knapp einem Anschlag israelischer F-15, was der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nur wenige Tage später mit der Resolution 573 unter der üblichen Enthaltung der USA mit den Worten „den Akt der bewaffneten Aggression gegen tunesisches Hoheitsgebiet durch Israel in flagranter Verletzung der Charta der Vereinten Nationen, das Völkerrecht und die Verhaltensnormen“ schärfstens verurteilte.

Jassir Arafat 1992 in Tunis
Jassir Arafat 1992 in Tunis

Aus dem tunesischen Exil heraus wurde 1988 das Konzept der ersten Intifada gestaltet, die bis 1993 anhielt. Die Welt sollte sehen, welche Art der Besatzung Palästinas Israel betreibt, die Bilder von IDF-Soldaten, die mit Knüppeln sadistisch auf Unbewaffnete einschlagen oder Gummigeschosse auf Kinder mit Steinschleudern abfeuern, bewegten die Welt. Der PLO-Vorsitzende war nicht so dumm, sich der Illusion hinzugeben, mit der Niederlegung seiner Waffen würde automatisch eine Anerkennung der politischen Ziele Palästinas erfolgen. Er wusste genau, dass die Araber Palästinas ein Dorn im Auge der USA blieben und dies nicht nur, weil unter anderem er persönlich Erzfeind Israels war. Die PLO und Palästina spielten in der globalen Strategie der USA keine privilegierte Rolle wie Israel als kompromissloser Verteidiger von US-Interessen. Wenn Arafat also etwas erreichen wollte, dann ging dies nur über den Umweg einer Weltöffentlichkeit, deren Meinung sich zugunsten seines Volkes zumindest mit Auftritten wie jenem zum Abschluss des Oslo-Abkommens beeinflussen ließ.

Am 15. November 1988 verkündete die PLO den unabhängigen Staat Palästina, in mehreren Reden am 13. und 14. des Folgemonats schwor er dem Terrorismus in all seinen Formen ab, etwas, was Israel bis zum heutigen Tag unterlassen hat. Er akzeptierte Sicherheit und friedliches Existenzrecht des Staates Israels gemäß Resolution 242. Am 10. Dezember 1994 erhielt der ewige Feind Israels Jassir Arafat dafür den Friedensnobelpreis.

Die Witwe

Der kleine dickliche Mann in Uniform benötigte ein geregelteres Leben, das ihm das Ansehen eines Staatsmannes und weniger eines Frontkriegers verleihen würde. Zur Überraschung aller zauberte er hierzu eine Frau an seiner Seite aus dem Uniformärmel. Am 17. Juli 1990 heiratete der 61-jährige Arafat die 27-jährige Katholikin Suha at-Tawil, die kurz vor der Eheschließung zum Sunnitentum konvertierte. Aus der Bindung ging die Tochter Zahwa hervor, die heute kaum etwas anderem als dem internationalen Jetset zuzurechnen ist.

Zwischen 2001 und 2006 bewohnte Suha Arafat eine halbe Etage des besten Hotels von Beirut. Im Le Bristol, das eines der ersten wiederaufgebauten Luxushotels war, das nach dem BĂĽrgerkrieg von 1975 bis 1991 wieder in altem Glanz erstrahlte, konnte sie das ihren gehobenen AnsprĂĽchen entsprechende Leben fĂĽhren, abseits von all dem Leid, das ihr asketischer Mann zumindest irgendwann einmal zu beenden gedachte.

Jassir Arafats Tochter Zahwa
Jassir Arafats Tochter Zahwa

Der oftmals kritisierte Lebensstil Suhas wie auch der Tochter Zahwa erinnern in nicht geringem Maße an die familiären Verhältnisse des Kriegsverbrechers Netanjahu, dessen Angetraute Sarah’le und Söhne Yair und Avner ungefähr genauso viel am Hut mit den Werten der ersten Zionisten haben wie die britische Monarchie mit dem britischen Gesundheitssystem NHS.

Mord aus eigenen Reihen?

Die Wahrscheinlichkeit, dass der allgemein schlechte Gesundheitszustand Arafats zu seinem Ableben führte, ist gering. Arafat passte nicht ins PR-Konzept israelischer Unschlagbarkeit inmitten einer Welt voller Feinde. Frieden zwischen Israel und Palästina wäre der Offenbarungseid gegenüber einem perfekten Feindbild. Zwei Völker ohne Land zur gleichen Zeit am gleichen Ort? Undenkbar! Israel benötigt Expansion durch militärische Gewalt und keine Friedensverträge.

Arik Scharon wollte den PLO- und vormals Fatah-Chef spektakulär hinrichten lassen und seine Talmud-getriebene Mordlust („Stehe auf und töte den, der Dich töten will!“) sollte von den Einheiten der Operationen „Salzfisch“ sowie später „Goldfisch“ gestillt werden. Dazu wurden Arafats Bewegungen vorgeblich akribisch, tatsächlich aber dilettantisch verfolgt, um den idealen Zeitpunkt seiner Ermordung zu gewährleisten. Selbst Verkehrsflugzeuge sollten kein Hindernis sein. Und obgleich die nicht zuletzt auffällige Kopftracht Arafats ihn eigentlich zum leichten Ziel machte, leistete sich der vorgeblich beste Geheimdienst der Welt nur Fehlschläge. Nach erfolglosen Anschlägen durch die „Caesaria“-Killertruppe des Mossad über Jahrzehnte hinweg kann davon ausgegangen werden, dass er Ende 2004 nur Opfer eines weiteren, diesmal allerdings verzweifelten und nicht beeindruckenden Mordanschlags wurde. Scharon äußerte sich am 23. April 2004 gegenüber einem israelischen Journalisten, dass er sich der mit George W. Bush getroffenen Vereinbarung, keine Mordanschläge mehr zu verüben, nicht mehr verpflichtet fühle. Als er daraufhin gefragt wurde, ob er Arafat schaden wolle, entgegnete er nur lapidar, „Ich glaube nicht, dass diese Angelegenheit noch klarer gemacht werden kann.“

Die Mordwaffe sollte die einer Frau und nicht einer Armee sein: Gift. Der Hauptverdächtige, der Arafat das tödliche Polonium verabreicht haben soll, ist der zwielichtige Mohammed Dahlan, der von den USA samt Mitläufern gerne als Führer eines technokratischen Palästinas gesehen worden wäre, getreu der Devise, in jedem Land eine Marionette am Kordel zu haben. Und ähnlich wie Iraks Ahmad Chalabi ist Dahlan nicht weniger undenkbar, das, was von Palästina noch übrig ist, in eine verheißungsvolle Zukunft führen zu können, denn als US-Marionette wird auch er nur israelische Forderungen weitergeben. Der beim Volk, das zu vertreten er von den USA und der EU vorgesehen ist, völlig unbeliebte Dahlan ist zudem viel zu schwach, um sich des Rufes als Auftragsmörder Arafats zu entledigen.

Ein innenpolitischer Mord würde es also lediglich, sähe man Mohammed Dahlan als natürlichen politischen Opponenten Arafats, was er zu keinem Zeitpunkt jemals war. Die Karte Dahlan gäbe es ohne den Westen im politischen Spiel Palästinas gar nicht. Kandidaten wie Nawalny in Russland, Selenski in der Ukraine, Saakaschwili oder die Halbfranzösin Surabischwili in Georgien und viele andere zu US-freundlichen Statthaltern aufgebaute glorreiche Verteidiger der „Freiheit“, tatsächlich aber zur knallharten Durchsetzung von US-Interessen dienlich, kosten oftmals nur Zeit, Geld und Leben.

Jassir Arafats Bruder Fathi
Jassir Arafats Bruder Fathi

Nur einen knappen Monat nach dem Tod Jassir Arafats starb sein jüngerer Bruder Fathi an Magenkrebs in Kairo. Fathi Arafat war Mitbegründer des Roten Halbmondes. Zuvor baute dieser als Mitglied des Palästinensischen Nationalrats sowie der Autonomieverwaltung ein Gesundheitswesen auf, musste sich jedoch 2001 aufgrund der eigenen Gesundheit ins Privatleben zurückziehen. Nicht nur einmal war Fathi Arafat vom Mossad für seinen Bruder Jassir gehalten worden und entging nur um Haaresbreite Anschlägen israelischer Mordkommandos. Am bekanntesten ist der Fall des von israelischen F-15 verfolgten DHC-5-„Buffalo“-Transportflugzeugs im Jahre 1982, in dem Fathi 30 palästinensische Verletzte des Massakers von Sabra und Schatila zur medizinischen Behandlung nach Kairo begleitete. Es waren allesamt Kinder, Opfer der mit Israel während des Libanon-Feldzuges verbündeten christlich-rechtsextremen Phalangisten (heute Kataeb-Partei, Mitglied der Zentristisch/Christlich-Demokratischen Internationale in Brüssel).

Krieg im Spiegel

Israel bildet sich nach wie vor ein, gegnerische Truppen oder gar die gesamte Palästina-Frage durch den Mord von Anführern verschwinden lassen zu können. Jahrelang behauptete das Land, dass das Problem der Palästinenser erst nach dem Ableben Arafats verhandelt werden könne. Heute wissen wir, dass auch dies eine billige Lüge war. Mit jedem Tod eines Palästinensers vervielfacht sich die Zahl der Feinde – eine sehr merkwürdige Strategie.

Einen würdigen Nachfolger fand Arafat in Mahmut Abbas nicht, da dieser viel zu lange Israel und den USA gegenüber die Interessen der Palästinenser nur kümmerlich vertrat, was ihn zwar zur salonfähigen Komponente der Westmächte, ihn für sein eigenes Volk jedoch zum Schwächling machte und den zunehmend zahlreichen jüdischen Extremisten ein leichtes Spiel dabei ermöglichte, Fatah und PLO durch die islamistischen Fundamentalisten der Hamas nicht nur zu ersetzen, sondern auch als effizientes Feindbild aufzubauen.

Der eigentliche Nachfolger Arafats, Marwan Barghuti, sitzt seit Jahrzehnten widerrechtlich in einem israelischen Gefängnis. Alleine er wäre hinreichend durchsetzungsfähig und charismatisch genug, eine gesellschaftlich breite Gefolgschaft aufzubauen, um eine stabile Regierung zu führen. Aus diesem Grund ist es auch unwahrscheinlich, dass das von national-religiös-fundamentalistischen Hasardeuren regierte vorherrschende diebische Israel ihn ohne internationalen Druck jemals freilassen wird. Die von Israel finanziell unterstützten Hamas sind ein viel zu schöner Feind, um als Alibi für zahlreiche weitere Kriege und Landnahmen dienlich sein zu können. Das wissen und unterstützen auch die USA.

David Andel