Nachdem sich Apple jahrelang mit einer Minderheitenrolle zufriedengeben musste, ist der Hersteller mittlerweile gleich in mehreren Marktsegmenten fĂŒhrend. Steht Cupertino aber die ĂŒber die Jahre konsequent gepflegte Rolle des Rebellen nun im Weg und stiehlt sich das Unternehmen aus der Verantwortung?
Telefoniert und mobil gesurft wird per iPhone, Musik gehört per iPod, gelesen per iPad und alles andere mit einem Mac. All das erscheint mittlerweile ĂŒberraschend normal, war vor wenigen Jahren noch aber kaum vorstellbar. Alleine der Einfluss des mobilen Alleskönners iPhone aufs tĂ€gliche Leben ist bemerkenswert. Das GerĂ€t liegt die meiste Zeit irgendwo in der NĂ€he herum, wird zum Nachschlagen eines Wortes herangezogen, als Fernbedienung verwendet, zur Orientierung eingesetzt und als Diktaphon genutzt. Auch Fotoapparat und Videokamera ersetzt es zunehmend oft, schlieĂlich hat man die âechtenâ GerĂ€te schon aufgrund der GröĂe nicht immer dabei. Dass ein iPhone zudem noch Musik abspielt, gerĂ€t bei all der FunktionsfĂŒlle schon fast zur NebensĂ€chlichkeit.
Keine Frage, Apple durchdringt viele unserer Lebensbereiche und wird dadurch immer mehr zu einer GröĂe, die sich kaum mehr ignorieren lĂ€sst. Was beim Mac noch fast eine unausweichliche Notwendigkeit darstellte, nĂ€mlich der Zwang zum Wechsel auf Windows, sobald die zu erledigende Aufgabe etwas speziellerer Natur war, gilt kaum mehr fĂŒr iPhone und iPad. Jene GerĂ€tekategorien fĂŒhrten von Anfang an ihr Marktsegment an, wohingegen andere Hersteller erst auf Apples Innovationen reagieren mussten. Und dieser Vorteil lĂ€sst sich vermutlich sogar gegenĂŒber auf- und ĂŒberholenden Konkurrenten wie der Android-Plattform behaupten, da hier die kaum mehr ĂŒberschaubare Modellvielfalt der effektiven Fokussierung auf nur wenige Zielplattformen im Wege steht. Als iOS-Entwickler hat man es einfach, denn es gibt nur wenige EndgerĂ€te.
Interessant jedoch, dass Apple bislang bei allem wirtschaftlichen Erfolg sein Image als âanders denkenderâ Rebell beibehalten konnte. Scheinbar hat Wim Wendersâ Spruch vom MittelmaĂ als Voraussetzung fĂŒr Massenerfolg im Falle Apples keine GĂŒltigkeit. Und obgleich entsprechend provozierende Werbekampagnen nun schon viele Jahre zurĂŒckliegen, behĂ€lt Apple seinen besonderen Stammplatz in den Herzen vieler Anwender und hat nichts an rebellischer OriginalitĂ€t verloren. Gleichzeitig segeln Unternehmen wie Facebook und Google vor allem aus datenschutzrechtlichen GrĂŒnden fast schon permanent hart am Image-Abgrund und steuern zielgrade auf eine Reputation Ă la Microsoft zu. Dagegen gelingt dem Schiff aus Cupertino auf beeindruckende Weise die unverĂ€nderte Fortsetzung seines bisherigen Kurses, nur mit zehnmal mehr Erfolg.
Der Erfolg hat jedoch seine Schattenseite, denn manchen Kunden stoĂen bestimmte sich aus der Marktmacht des Herstellers ergebende Verhaltensweisen auf unangenehme Weise auf. Immer mehr greift der kommerzielle Charakter von iTunes auf alle Bereiche ĂŒber, einzelne GerĂ€tekategorien gibt es ĂŒberhaupt nur noch als Verkaufsplattform. So ist Apple TV beispielsweise nur in jenen LĂ€ndern erhĂ€ltlich, in dem es bei iTunes auch ein entsprechendes Filmangebot gibt. Gleichzeitig wird in Mac OS X 10.7 Lion mit Front Row eine kostenfreie Alternative entfernt und mit dem App Store fĂŒr den Mac eine Dienstleistung ergĂ€nzt, die klammheimlich ein Mietmodell fĂŒr Software einfĂŒhrt.
WĂ€hrenddessen erreichen immer öfter ausgesprochen problematische ServicefĂ€lle die Redaktionen der Mac-Publikationen, so dass am Image, Apple verhielte sich besser oder rebellischer als der Rest der PC-Industrie, erste Abnutzungserscheinungen sichtbar werden. Und wird ein Anwender von Apple erst einmal grob enttĂ€uscht, hat er nicht die Möglichkeit, einfach auf einen anderen Hersteller ausweichen zu können, denn Mac OS X lĂ€uft offiziell nur auf Macs und das iOS nur auf iPad, iPhone und iPod touch, wohingegen Android und Windows trotz aller UnzulĂ€nglichkeiten und EinschrĂ€nkungen noch einigermaĂen plattformunabhĂ€ngig sind. Apple-Fans finden sich damit in einer Ă€hnlich ungĂŒnstigen Lage wie die Opfer eines partnerschaftlichen Betruges. Wer einmal im Apple-Universum fest verwurzelt ist, verliert durchaus ein StĂŒck UnabhĂ€ngigkeit, denn Alternativen gibt es nicht wirklich. Dies sollte Apple vor allem im Bereich Service nicht vergessen â auch auĂerhalb der dem Kunden gegenĂŒber immer wieder favorisierten AppleCare-Option, die vielleicht sinnvoller im Endpreis integriert wĂ€re, will Apple wirklich besser sein, als andere.
David Andel