„Der Pate“ auf Blu-ray

Jobs gegen die Blu-ray-Mafia

Kann die persönliche Abneigung gegenĂŒber einem realen Industriestandard Grund genug dafĂŒr sein, diesen nicht zu unterstĂŒtzen? Und vor allem: wie lautet die Alternative, wenn Steve Jobs schon nichts vom existierenden System hĂ€lt?

Es gibt einen Nachfolger der DVD, ob man diesen nun mag oder nicht. Seit dem Ende der HD DVD heißt dieser zweifelsfrei Blu-ray Disc, abgekĂŒrzt auch BD. Und obgleich dieser Standard alles andere als kundenfreundlich ist, finden sich besagte DatentrĂ€ger zunehmend in Ladenregalen und im Angebot des Versandhandels. Auch gibt es preislich immer attraktivere Laufwerke, so dass zumindest ein Mac Pro theoretisch problemlos nachgerĂŒstet werden könnte. Nur einer spielt da nicht mit: Steve Jobs.

Die Alternative zu BD im Apple-Universum wiederum lautet iTunes Store samt Apple TV. Anstelle eines aufgrund des aktuellen Preisverfalls immer billiger werdenden und meist ĂŒppig ausgestatteten physischen Mediums mit einer Lebensdauer von 30-50 Jahren erhĂ€lt der Interessent bei Apple jedoch nur einen ausgesprochen teuren Download – die in dieser GrĂ¶ĂŸe recht lĂ€stige Archivierung auf seiner Festplatte bleibt ihm großzĂŒgig selbst ĂŒberlassen und anstelle von 1080p erwarten den Apple-Filmfreund nur 720p Auflösung, innerhalb derer es noch eine recht breite QualitĂ€tsstreuung gibt. Im Vergleich zur BD sind mehrere Sprachen sowie Untertitel ĂŒbrigens der Ausnahmefall, Bonusmaterial gibt es ĂŒberhaupt nicht. Die Auswahl im iTunes Store ist ausgesprochen begrenzt, in vielen LĂ€ndern (unter anderem in Belgien, DĂ€nemark, Finnland, Griechenland, Irland, Italien, Niederlande, Norwegen, Portugal, Schweden, Schweiz, Spanien) werden bislang noch nicht einmal Filme in Standardauflösung angeboten.

BegrĂŒndet wird diese alles andere als glĂŒckliche Situation von Steve Jobs mit der restriktiven DRM (digitalen Rechteverwaltung) „Advanced Access Content System“ (AACS) der BD, die ihm zufolge nichts weiter als einem (wörtlich) „Sack voller Schmerzen“ entspricht, die Verantwortlichen bezeichnete Jobs unlĂ€ngst gar als „Mafia“. WĂ€re besagte Rechteverwaltung jedoch in Mac OS X integriert, könnte das dem Anwender herzlich egal sein, denn außer gelegentlich erforderlichen Updates sollte er nichts davon merken. Und wer unbedingt seine Blu-Rays kopieren will, der kann es trotz aller Maßnahmen ebenso, allerdings nicht legal. Auch fĂŒr die BD gibt es ĂŒbrigens einen Regionalcode wie bei der DVD, ausgerechnet darauf verzichten aber zwei Drittel der BD-Anbieter.

Verwunderlich bleibt, dass diese Auseinandersetzung auf dem RĂŒcken des Anwenders ausgetragen wird, der davon kurzfristig nichts außer Verzicht hat. Er soll sich mit dem zufrieden geben, was Apple fĂŒr ihn vorgesehen hat und wĂ€hrenddessen auf eine theoretisch bessere Lösung warten, laut Steve Jobs dann nicht mehr in Form eines DatentrĂ€gers. WĂ€re es trotzdem ein DatentrĂ€ger, dann könnte dessen EinfĂŒhrung noch viele Jahre dauern – außer der Blu-ray Disc XL ist bislang keines der vorgestellten Nachfolgesysteme (Holographic Versatile Disc, Multiplexed Optical Data Storage, Protein-coated Disc, TeraDisc usw.) erhĂ€ltlich. Ob nun in Form eines DatentrĂ€gers oder als Download, wer garantiert uns jedoch, dass besagter BD-Nachfolger um so vieles freier und fĂŒr den Hersteller weniger schmerzvoll handzuhaben sein wird als das bisher der Fall ist? Nichts außer vielleicht dem Wunschdenken Apples spricht dafĂŒr, dass es eine Tendenz zu DRM-freien Filmen gibt und höhere QualitĂ€t weniger restriktiv genutzt werden kann. Das einzig bekannte Beispiel fĂŒr eine Lockerung der Nutzungsrechte ist ĂŒberhaupt nur der DRM-Wegfall fĂŒr komprimierte und nicht etwa im Vergleich zur CD verlustfreie Musik im Store von iTunes.

Gehen wir davon aus, dass die Stellungnahmen von Steve Jobs eine ehrliche Abneigung und kein kommerzielles Eigeninteresse darstellen, dann bleiben dennoch die Fragen nach dem praktischen Nutzen in einem ohnehin schon recht umstĂ€ndlichen System von Standards, KompatibilitĂ€ten und technischen UnzulĂ€nglichkeiten. So ist der Mac zwar dazu prĂ€destiniert, auch TV-Sendungen aufzunehmen und zu archivieren, richtig integriert in ein homogenes System wurde dies aber nie. Das mittlerweile sehr beeindruckende EyeTV beispielsweise bleibt eine Parallelwelt zum bestenfalls mittelmĂ€ĂŸigen Apple-Ansatz Front Row sowie zahlreichen oft sehr US-zentrischen Alternativen. Der verbreitete HDMI-Anschluss wiederum ist zwar jetzt Ausstattungsmerkmal von Mac mini und Apple TV, allen Grafikkarten fĂŒr den Mac Pro fehlt die Buchse aber konsequent.

Es ist unbestritten, dass Apple seit vielen Jahren große Erfolge zu verbuchen hat, die in sehr vielen FĂ€llen den richtigen EinschĂ€tzungen von Steve Jobs zu verdanken sein dĂŒrften. FrĂŒher aber bezeichnete man das, was Steve Jobs fĂŒr sinnvoll oder nicht sinnvoll hielt als sein sehr persönliches „Reality Distortion Field“ (wirklichkeitsverzerrendes Feld), was Kritikern angesichts der Marktmacht Apples nun schon weit seltener ĂŒber die Zunge kommt. Prinzipiell ist Apples eigenes Verfahren „FairPlay“ natĂŒrlich dem AACS-Terror vorzuziehen, andererseits kann es sich noch lange hinziehen, bis ĂŒber iTunes einmal gleiche QualitĂ€t und Ausstattungsmerkmale zum konkurrenzfĂ€higen Preis verfĂŒgbar sein werden, wenn ĂŒberhaupt. Insgesamt wĂ€re es daher wĂŒnschenswert, dass Apple zumindest vorĂŒbergehend auch solche Standards unterstĂŒtzt, die es nicht mag, zu denen das Unternehmen aber vorerst keine Alternative zu bieten hat.

David Andel