Der Bart (De Wever) ist ab: Nur ein Tag, nachdem die Écolo-Vizepräsidentin Zakia Khattabi zurecht die Frage nach den Hintergründen des militärischen Affentheaters gestellt hatte, ließen die Nationalisten der N-VA ihren üblich-dümmlichen Ergüssen freien Lauf: „Zwanzig Jahre Nachlässigkeit der PS und des Islamo-Sozialismus haben uns dorthin gesteuert, wo wir nun mit Brüssel als Hinterhofbasis der islamistischen Barbarei angelangt sind.“, meinte N-VA-Senatsmitglied Karl Vanlouwe, der sich ansonsten mit so überaus wichtigen Dingen beschäftigt, wie dem von ihm heiß ersehnten Austritt Belgiens aus der „Organisation Internationale de la Francophonie“.
Dabei sollte es der Jurist besser wissen: die Attentäter des 13. Novembers in Paris sind keine Freunde des Sozialismus, sondern Feinde. Nicht nur das, sie praktizieren einen religiös-fundamentalistischen Nationalismus und wollen im Nahen Osten einen völlig neuen Staat errichten. Ob solche Ziele dem separatistischen Politiker aus dem erzkatholischen Flandern so gänzlich unvertraut sind? Auch seine Partei setzt sich schließlich für einen neuen nationalistischen Staat Flandern ein. Wie kann es also sein, dass er andere radikale Gruppen, die mit ihrem wahnhaften Verhalten noch sehr viel weiter gehen, nun ausgerechnet dem Sozialismus zuordnet?
Deutlich wird dabei selbstverständlich, wes Geistes Kind die aktuellen Kraftmeiereien sind. So setzte der in Brüssel oft als „Franckenstein“ bezeichnete Theo Francken noch einen drauf und meinte:
In den letzten Tagen was von PS, Ecolo, cdH, FDF, Groen oder sp.a gehört? Nicht ich, oder doch vielleicht ein Satz, den ich jetzt in jedem linken Interview lese und der mir nicht mehr aus dem Kopf geht: «Wir sollten uns nicht der Vergangenheit zuwenden, sondern für die Zukunft arbeiten.». Klar, das ist ein bisschen einfach, Kameraden.
Theo „Franckenstein“ Francken
Vergessen hatte der kahlköpfige Pädagoge, der ansonsten auch schon mal nach dem Mehrwert der marokkanischen, kongolesischen und algerischen Diaspora fragt, allerdings, dass die Innenminister Belgiens schon seit 16 Jahren keine Sozialisten mehr sind.
Die Frage nach dem Mehrwert der N-VA in der Regierung sei an dieser Stelle ebenfalls erlaubt. Als diese wider Erwarten und aufgrund der Wahllüge der frankophonen liberalen Partei MR an einer nationalen belgischen Regierung teilnahm, gelobte sie, ihre separatistischen-xenophoben Hauptkriegsschauplätze außen vor zu lassen, da es wichtigere Probleme zu lösen gäbe. Kaum überraschend ist besagte Regierung heute für ihre Taten alles andere als bekannt, es passierte nämlich so gut wie gar nichts und das ewige Meckern der vergangenen Jahre ließ – zum Glück – keinerlei Taten folgen. Da wundert es wenig, dass die Attentate in Frankreich einen fast lawinenartigen Effekt hatten, musste sich die gesammelte Mannschaft von Stammtischbrüdern doch zuvor entsetzlich fest auf die Zunge beißen, um salonfähig zu werden. Nun, sie sind es spätestens seit dem 21. November abermals nicht, denn alles, was die letzten Tage an „Krieg gegen den Terror“ der europäischen Hauptstadt gebracht haben, sind Chaos, Unsicherheit, verheerende wirtschaftliche Verluste und Trittbrettfahrer wie der „Christliche Staat“.
Von den 16 in der Nacht zum Sonntag festgenommen Verdachtspersonen wurden schon am Montag 15 wieder freigelassen. Kurz darauf wurden weitere fünf Verdächtige festgenommen, genauere Details dazu sind aber abgesehen vom erneuten Fehlen Salah Abdeslams noch nicht bekannt. Die Schubladen der unerledigten Fälle der belgischen Staatssicherheit dürften damit geleert worden sein, sodass schon in Kürze wieder altmodische Polizeiarbeit angesagt ist – solche, die leider ohne Publicity-trächtige Panzer auskommen muss. Infolge der (nicht nur) fremdenfeindlichen N-VA-Beißwut dürfte dabei die Bitte um Hilfe beim marokkanischen König in nicht geringem Maße peinlich sein.
Nur wo ist der 26-jährige Mann, nach dem man seit Tagen vor allem in Brüssel sucht? Salah Abdeslam hat ein ziemliches Allerweltsgesicht – gewiss auch sehr zum Nachteil mancher arabischer Mitbürger – sodass eine hohe Zahl von Zeugenaussagen mit Vorsicht zu genießen sein dürfte. Angesichts der aktuellen politischen Lage im Land wäre es allerdings überhaupt nicht überraschend, befände er sich in Antwerpen …
David Andel