Die Zukunft lautet IPv6

iPad, iPhone, iPod, IPv6

Auf tragische Weise teilte IPv6 lange Zeit ein Schicksal mit vielen anderen Ideen und Visionen, deren Theorie an der Realität scheitern musste. Jetzt scheint die Zeit für IPv6 allerdings reif zu sein, denn zahlreiche IP-basierte Geräte wie iPad und iPhone verschärfen die IPv4-Notlage.

Stell’ Dir vor, es gibt IPv6, aber keiner will es. Seit vielen Jahren in aller Munde, nur so gut wie nirgends derart umgesetzt, wie einst erwartet und unzählige Male beschrieben: IPv6. Das IP-Adressprotokoll mit seinen theoretisch 340 Sextillionen (das ist nichts Anrüchiges, sondern eine Zahl mit 36 Nullen) IP-Adressen hat sich bislang bestenfalls als Vermeidungsprotokoll erwiesen. Hersteller wollten es nicht implementieren, Provider nicht umsetzen und P2P-Anwender bevorzugten die scheinbare Anonymität einer dynamischen IP-Adresse, die sie wie eine ungeliebte Vergangenheit abstreifen konnten. Und natürlich wartet stets einer auf den anderen, denn gibt es nicht genügend Geräte für einen breiten Einsatz, sehen Provider nicht ein, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Und gibt es nicht entsprechende Netze, sehen Hersteller nicht ein, die passenden IPv6-Geräte anzugehen.

Dabei waren die Aussichten reizvoll. Jedes elektrische Gerät sollte langfristig seine eigene IP-Adresse erhalten und somit in die Lage versetzt werden, direkt von außen ansprechbar oder bei selbständiger Kontaktaufnahme zumindest eindeutig identifizierbar zu sein. Das hätte beispielsweise zur Folge gehabt, dass Kühlschränke per RFID-Chips auf den Lebensmittelpackungen über ihren Inhalt auf dem laufenden wären und so später Auskunft darüber erteilen könnten, wenn etwas bestimmtes nachgekauft werden müsste oder es auch gleich selbst täten. Eine entsprechend vorbereitete Kaffeemaschine könnte von außen direkt aktiviert werden, damit der Kaffee genau dann fertig ist, wenn man zuhause eintrifft, ähnliches gilt natürlich für alle Arten von Küchengeräten. Ein Stromzähler könnte seine Verbrauchsmessung direkt an den Anbieter weiterleiten, ohne den lästigen Besuch eines Ablesers. Und Fernwartung wäre nahtlos möglich, sofern man dies per Paketfilter zuließe. Auch erhielte jedes Auto seine eigene IP-Adresse und wäre damit in der Lage, seine technischen Probleme schon vorab der Werkstatt zu melden, deren Besuch es dann dem Fahrer nahelegt. Einerseits stellt sich dabei immer die Frage nach dem besonderen Nutzen, besteht der Bedarf zu solchen Fähigkeiten doch nicht unbedingt. Aber der hätte sich schon ergeben, mit der Zeit, mit zunehmender Verbreitung. Und andererseits wären da die Gefahren der totalen Anwenderkontrolle, denn je umfassender der Datenabgleich von allem mit allem, desto unweigerlich berechenbarer würde die Menschheit samt ihrem Konsumverhalten – Scoring war gestern. Nicht zu vergessen auch der beträchtliche Verbrauch von Ressourcen, sollte es eines Tages wirklich auf jedem Lebensmittel einen RFID-Chip geben. Denn besagte Chips enthalten Edelmetalle, die schlimmstenfalls in der Müllverbrennung endeten.

Selbstverständlich gibt es auch eher traditionelle Anwendungsbereiche, etwa die Möglichkeit der Nutzung eines privaten Mail-Servers. Somit hätte jeder Anwender die Möglichkeit, sein eigenes virtuelles privates Postamt zu eröffnen, könnte dieses direkt seinen Domains zuordnen und auch von unterwegs aus ansprechen, entsprechend geschützt natürlich. Die Nutzung von Provider-Diensten erübrigte sich, sogar die Maßnahmen der EU-weiten Vorratsdatenspeicherung griffen in solchen Fällen nicht, da diese nur bei öffentlich zugänglichen Mailservern zwingend sind. Ein kleiner und sparsamer Mac-mini-Server reichte für diese und jene Server-Dienste schon aus, dieser könnte dann auch noch allerlei Push-Benachrichtigungen versenden, von der Türklingel bis zur Rückkehr von Felix dank elektronischer Katzenpforte – der Fantasie sind hier kaum Grenzen gesetzt.

Aber nicht all die teilweise futuristischen Anwendungen im Haushaltsbereich, die ja nur den Umstieg von IPv4 attraktiver erscheinen lassen sollten, führen nun das Ende von IPv4 schneller als erwartet herbei, sondern iPhones und deren Konkurrenten. Die Verkaufszahlen jener mobilen Endgeräte lassen selbst den Absatz von traditionellen Computern alt aussehen, nach wenigen Jahren belegt das iOS bereits den dritten Platz der am meisten verbreiteten Betriebssysteme. Damit werden dynamisch zugewiesene Adressen schneller knapp, vor allem unterwegs, vor allem in Ländern außerhalb der USA, die sich weniger IPv4-Adressen untereinander teilen müssen. IPv6 würde nicht nur dieses Problem lösen, sondern auch den Komfort der iDevices erhöhen. IPv6-Nummern hätten es in sich, denn da jedes Gerät seine eigene bekäme, könnte man diese auch direkt kontaktieren, ein iPhone beispielsweise unter Umgehung seiner Mobilfunk-Rufnummer direkt unter iphone.meinedomain.de. Leider aber nimmt Apple die Privatsphäre seiner Anwender noch nicht ernst genug, um IPv6 auf iPad, iPhone und iPod vorbehaltlos zu empfehlen.

David Andel