Das Grauen kommt um Zehn: Mit Version 10.0 von iTunes hat Apple endgültig den Weg zur Bloatware angetreten. iTunes ist kein Programm mehr zum Verwalten von Musik, sondern dient mittlerweile allen möglichen Dingen, vor allem unmusikalischen.
Als ob die Organisation der Musikbibliothek, die Synchronisierung mit dem iPod, das Verwalten und Ansehen der Musikvideo-, TV-Serien-, Film- und „App“-sammlung, der Kauf von iPhone- und iPod-Anwendungen, Filmen, Klingeltönen, Musik, Podcasts und TV-Serien sowie die Synchronisierung von Adressen, Programmen und Terminen mit iPad, iPhone und iPod noch nicht genug wären, nein, es muss auch noch ein so genanntes „soziales“ Musiknetzwerk namens Ping her, damit iTunes noch überladener, noch unübersichtlicher, noch fehleranfälliger und noch träger wird. Schon zuvor wurden Rumpfdienste wie etwa Genius nur mit verhaltenem Beifall empfangen, schien die Motivation des Herstellers doch eher investigativer denn anwenderorientierter Natur zu sein – Apple wollte so auch in Erfahrung bringen, was jene iTunes-Nutzer hören, die keine oder kaum Musiktitel kaufen.
Dass iTunes schon vor vielen Jahren der Konsumanregung dienen sollte, bleibt unbestritten, allerdings entwickelt sich iTunes spätestens mit Version zehn fast vollständig zum kommerziell aggressiv agierenden Kramladen ohne erkennbare Verfeinerungstaktik, einer Anwendung, die vor allem kontrollieren und verdienen, kaum aber hilfreich sein soll. So ist es auch wenig verwunderlich, wenn einzelne Details nur unbefriedigend funktionieren. Die Liste der Mängel ist lang: Apples eigene GUI-Richtlinien werden wiederholt missachtet, die Spaltenbreite bleibt selten unverändert, manche selbst erstellten Cover lassen sich nur mühsam importieren, gängigste Dateiformate werden abgelehnt, die Lautstärkeregelung kann bei digitaler Wiedergabe nicht blockiert werden, neue Radiosender lassen sich nur per eigener Wiedergabeliste ergänzen, die Konfiguration des Abgleichs mit externen Geräten ist nur möglich, wenn diese angeschlossen sind und auch eine drahtlose Synchronisierung mit dem iPhone lässt weiter auf sich warten.
Welche Rolle spielen noch die Tunes in iTunes? Gut, wir freuen uns nach wie vor über die Möglichkeit, kostenlose Cover für unsere selbst per CD importierten Titel zu erhalten. Aber sind diese Cover wirklich von so hoher Qualität, wie Jobs es einst behauptete? Nein, denn vieles, was nicht gerade aktuellem Mainstream entspricht, erhielte qualitativ allenfalls die Bewertung ausreichend oder fehlt ganz, manche Cover sind außerdem völlig falsch zugeordnet oder stellen gerade einmal die hässlichste aller existierenden Varianten dar. Auch ist die verlustfreie Lossless-Variante sicher hochwillkommen, den von vielen Musikverlagen aber ebenfalls genutzten Standard Flac ignoriert Apple gekonnt, so dass alles, was nicht direkt mittels iTunes importiert wurde oder zumindest hätte werden können, zuvor konvertiert werden muss. Und sonst? Richtig, musikalisch stagniert iTunes auf breiter Ebene, denn alles, was den eigenen Musikverkauf nicht direkt unterstützt, muss sich anderer Mittel bedienen. Wenig verwunderlich daher auch die Schaffung von Ping, lässt sich so doch abermals der Absatz fördern.
Die Frage stellt sich, wohin der Weg von iTunes uns noch führen soll? Längst scheint dieses Programm mehr Macht an sich gerissen zu haben als Microsofts Explorer, nur gemerkt hat das bislang kaum jemand. Und obgleich es beispielsweise zum Abgleich der iPhone-Fähigkeiten spezialisiertere Anwendungen gäbe, liegen Lösungen wie iSync seit Jahren mehr oder weniger brach, denn nur mit iTunes behält Apple die totale Kontrolle über seine mobilen Endgeräte. iTunes ist somit Apples Pendant zum aufgeblähten Explorer und mittelfristig auf dem besten Weg, ähnlich zu enden.
Die einzig verbliebene Strategie hinter dieser Blähware lautet, dass iTunes als alleinige Schnittstelle für sämtliche trojanischen Pferde vom iPod, iPhone und iPad hin zum Apple TV dienlich sein soll. Nur auf Apples eigenem Betriebssystem, dem mittlerweile auffällig vernachlässigten Mac OS X nämlich, ergibt die Überladung von iTunes längst keinen Sinn mehr.
David Andel