Apple wäre ohne prägnanten gestalterischen Moment nur eines von vielen Unternehmen und längst als technologischer Eigenbrötler gescheitert. Was war und ist überhaupt das oft gerühmte Apple-Design und woher kommt es?
Aussehen und Bedienung eines Mac, iPod oder iPhone sind schwer zu ignorieren. Die Produkte des Technologiekonzerns aus Cupertino mögen zwar den gleichen Fließbändern Asiens entstammen wie die zahlreicher Konkurrenten, das Endergebnis ist jedoch ein völlig anderes. Verdeutlicht wird dies mit einem Übermaß an Präsenz in Film und Fernsehen, einhergehend mit einer multimedialen Entertainment-Strategie. MobileMe und/oder iTunes stehen Nutzern von Apple TV, iPhone, iPod oder Macintosh zur Verfügung – auf allen Geräten läuft zudem Mac OS X, welches trotz aller teils unangebracht erscheinenden optischen Verspieltheit ästhetische Standards vorgibt. Es ist auch dieses vom Hersteller verfolgte Gesamtkonzept des digitalen Lebensstils, das Anwender von Apple-Produkten immer wieder als geschlossene, ja engstirnige Gesellschaft erscheinen lässt.
Wirtschaftlicher Erfolg provoziert sowohl Nachahmer als auch Neider, zuweilen basiert er aber ebenso selbst auf Vorbildern und ahmt dadurch nicht minder nach. Der iPod ist der Walkman des Computerzeitalters, der wiederum die Musikversion des Diktiergerätes war, das seinerseits einen miniaturisierten Kassettenrekorder darstellte, der wiederum als Bandmaschine mit Wechselmedium antrat – und so weiter und so fort. So geht ein Gerät aus dem anderen hervor, und weder Steve Jobs noch Jonathan Ive haben den Flachbildschirm, komprimierte Musikdateien, das Internet oder Aluminium erfunden. Wohl aber haben die kreativen Köpfe in Cupertino alle diese Erfindungen auf herausragende Weise zu integrieren und vermarkten verstanden. Daraus ergibt sich letzten Endes ein aus vielen einzelnen Teilen bestehendes schlüssiges und stimmiges Ganzes, aus welchem sich dann der Ruf des Konzerns ergründen lässt.
Jonathan Ive
Der Sohn eines Silberschmieds und heutige Industriedesign-Senior-Vizepräsident von Apple ist zwar erst 41 Jahre alt, zählt aber schon zu den renommiertesten Vertretern seines Berufes. Dies hat er im wesentlichen der Rückkehr von Steve Jobs zur Firma Apple zu verdanken, der ihm vor gut zehn Jahren jene Entfaltungsmöglichkeiten gab, denen sonst kaum ein Designer begegnen dürfte – erst recht nicht im Bereich der Informationstechnologie. Ives Karriere ist kurz und schnell, er studiert bis 1989 an der Newcastle Polytechnic Art School (heute Northumbria University) Industriedesign, arbeitet für die Londoner Designfirma Tangerine, siedelt in die USA über und landet schließlich bei Apple. Zuvor verzweifelte Ive wiederholt an der Skepsis der Hersteller seinen Entwürfen gegenüber, nicht so in Cupertino. Seine Prototypen treffen beim gerade Apple-umkrempelnden iCEO Jobs auf fruchtbaren Boden und bedeuten den Beginn einer wunderbaren neuen Ära für das Unternehmen, bei dem Jobs den Ton angibt und Ive virtuos musiziert.
Über „Joni“ Ive ist kaum etwas zu erfahren, und wenn, dann stammt dies selten von ihm. In einem Beitrag der Zeitschrift BusinessWeek mit dem Titel „Who is Jonathan Ive“ (Wer ist Jonathan Ive), erfährt man neben einer Menge weitschweifender Formulierungen nur wenig mehr, als sowieso schon bekannt ist: Laut Clive Gringer, Ives erstem Geschäftspartner, lebt der Designer mit seiner Frau Heather, einer Historikerin, die er seit Kindheitstagen kennt, und den aus der Ehe hervorgegangenen Zwillingen in einem Haus ohne ersichtliche Zurschaustellung seiner Tätigkeit und folgt damit dem Beispiel Jobs, der in seinem ewigen Turnschuh-und-Rollkragenpulli-Outfit regelrecht als Opposition zur Ästhetik seines Unternehmens auftritt. Apples Designteam, das nur aus einem Dutzend Personen bestünde, hätte seine besten Ideen beim Pizza-Essen. Die Designer um Ive, unter anderem Danny Coster, Daniele De Iuliis (Italien) und Rico Zörkendörfer (Deutschland), wohnten größtenteils in San Francisco, wären allesamt in ihren Dreißigern und Vierzigern, manche davon schon seit über fünfzehn Jahren im Unternehmen, also länger als Ive. Man unternehme zahlreiche Ausflüge miteinander, verhalte sich kameradschaftlich, ohne Egotrips. Gut 10.000 Euro monatlich als Einstiegslohn wären die Hälfte mehr als die Konkurrenz zahlte, die privaten Büros seien klein, dafür aber bliebe man abgeschirmt vom restlichen Unternehmen und verfüge über ein enormes Soundsystem.
In einem Spiegel-Interview reagierte Jonathan Ive amüsiert auf die iBook-Vergleiche mit Produkten aus dem Sanitärbereich. Ive sah bei Computern keinen zwingenden Zusammenhang von Funktion und Form, so wie dies etwa bei einer Tasse oder Flasche allgemein der Fall wäre. Seiner Definition zufolge wäre der Computer einmal „noch eine schlichte Schreibmaschine, dann wieder ein Faxgerät, ein Fernseher, dann ein Radio.“ Der Ansatz ist insofern beeindruckend, als dass es für Computer dann überhaupt kein angemessenes Design gäbe. Am bemerkenswertesten jedoch Ives Erkenntnis: „Marktforschung ist meiner Meinung nach der Bankrott der Kreativität. Wenn man das tut, steht man am Ende da mit einem Design, das möglichst niemandem wehtut. Mit einer Konsenslösung ohne Innovation. Wenn wir den iMac von Zielgruppen hätten testen lassen – da bin ich mir sicher –, hätten wir ein Feedback bekommen, das uns nahe gelegt hätte, so etwas nie zu produzieren.“ Dem ist in einer Zeit von Meinungsumfragen, Marktforschungen und exzessivem Datensammeltrieb, gepaart mit immer weniger Ideen sowie mehr Einfallslosigkeit, kaum etwas hinzuzufügen.
Dunkle Jahre
Dabei wäre das Kapitel Apple um ein Haar schon vor gut zehn Jahren abgeschlossen gewesen, denn der Konzern hatte all seinen Elan und seine Visionen verloren. Was alles hätte werden können, wäre Jobs auch von 1985 bis 1997 bei Apple geblieben, vermag natürlich niemand zu sagen, Apple war Mitte der Achtziger ein völlig anderes Unternehmen als heute und wird es unweigerlich ohne Steve Jobs erneut werden. In seinem Buch (Apple: The Inside Story of Intrigue, Egomania, and Business Blunders, ISBN: 0-8129-2851-2) beschreibt Jim Carlton das Apple der Jobs-freien Jahre als eine von vergangenen Erfolgen degenerierte Firma. Ein ebenso gieriges wie mutloses und träges Management hatte sich von seinen Mitarbeitern entfremdet, das Vertrauen in die eigenen Produkte verloren und gab so der Konkurrenz Gelegenheit genug, ehemalige Defizite abzubauen. Apple-Händler waren zu dieser Zeit – und im Gegensatz zu heute – von enormen Gewinnspannen verwöhnt, kein Einstiegsmodell sollte beispielsweise die Hochpreispolitik eines Macintosh IIfx gefährden – erst spät kam es durch den Druck der Investoren zur Konzeption der Modelle LC und IIsi.
In Paul Kunkels Bildband (AppleDesign: The Work of the Apple Industrial Design Group, ISBN: 1-8880-0125-9) sind viele der Ideen festgehalten, die unter Jobs vielleicht realisiert worden wären, die John Sculley oder Jean-Louis Gassée aber nicht wagten. Als eine herausragende Totgeburt sei die Jonathan-Studie von John Fitch und Tony Guido zu erwähnen, ein modulares und nach allen Seiten (Prozessor, Anwendungen und Peripherie) offenes System, das trotz des Fürsprechers Bill Gates verhindert wurde. Noch heute wäre Jonathan eine Revolution, offen für vielleicht Linux, Mac OS X sowie Windows Vista und alle nur denkbaren Hardware-Standards.
Apples Industrial Design Group (IDg) war aber auch in der dunkelsten Phase des Unternehmens längst nicht so untätig, wie es die Konzernleitung nach außen hin aussehen ließ. Modelle wie „das Tier auf dem Schreibtisch“ Pamona oder Tizio verließen nur nie das konzeptionelle Stadium, stattdessen wurden konservative beigefarbene Rechner in immer kleineren und erfolgloseren Serien hergestellt. Eine sehenswerte Übersicht der zahlreichen Designstudien findet sich im WWW. Tizio ist insofern interessant, weil es ein Modell in Anlehnung an Richard Sappers gleichnamige Halogenlampe aus dem Jahr 1970 war. Statt der Ausbalancierung eines Leuchtkörpers mittels Gewichten, wurde bei Apples Tizio auf gleiche Weise der Bildschirm in die gewünschte Position gebracht, was bei heutigen Displaygrößen natürlich zu ordentlichen Gewichten führen würde …
Nur ein Computer schaffte es damals vom Konzept zur Fertigung. Der von Jonathan Ive entworfene und radikal andersartige „Spartacus“, mit dem Apple sein zwanzigjähriges Firmenjubiläum feierte, nahm schon 1997 vieles vom heutigen iMac vorweg. Leider war der „Twentieth Anniversary Macintosh“, so der offizielle Name des Spartacus, eher ein missglücktes Experiment. Vermarktet zunächst als teures Luxusmodell für die gute Stube mit Vor-Ort-Service, musste der Spartacus schon bald als Ladenhüter für ein Viertel des ursprünglichen Preises verkauft werden und litt unter etlichen technischen wie konzeptionellen Mängeln. Das zu kleine Display und die fehlende Netzwerkanbindung – wer die Ethernet-Karte nachrüstete, versündigte sich am Design – waren allesamt Probleme, die schon ein iMac der ersten Generation nicht mehr hatte, den es außerdem zum Kampfpreis gab. Auch Steve Jobs erhielt anlässlich seiner Rückkehr ins Unternehmen einen Twentieth Anniversary Macintosh durch Gilbert Amelio überreicht (manch einer wird sich an Steves Hänger „I’m really excited“ erinnern), was später mit zur Idee des iMac beigetragen haben könnte.
Richard Sapper
Sie steht in fast jeder Anwaltskanzlei, Arztpraxis, jedem Chefzimmer und fast jedem Büro eines Kommunalpolitikers. Die Rede ist keineswegs von einer Flasche Wodka, sondern einer Schreibtischlampe namens Tizio. Entworfen hat das seltsame Leuchtgerät, das sich mithilfe von Gewichten ausbalanciert und lediglich mittels Druckknöpfen aus dem Textilbereich zusammengehalten wird, der Münchener Richard Sapper.
Sapper war neben Giorgetto Giugiaro und dem späteren Memphis-Guru Ettore Sottsass einer jener Designer, die Steve Jobs nach seiner Rückkehr ins Unternehmen für die Gestaltung künftiger Produkte in die engere Wahl gezogen hatte, bis er schließlich auf den schon im Haus arbeitenden Jonathan Ive verfiel.
Alleine über die Tizio ließen sich Abhandlungen voller Bewunderung schreiben, denn 1970 waren Schreibtischleuchten mit Halogenlampen in Reflektoren aus Aluminium unter glasfaserverstärktem Nylon, die einfach in jeder Position verharrten, egal wie man sie gerade über den Schreibtisch zog, und die sich absolut auf die beleuchtende Fläche konzentrierten und den Rest des Raumes in intimes Dunkel hüllten, ein Blick in die Zukunft. Die Tizio hat als Industrieprodukt wie moderner Klassiker über eine Generation überlebt, hat gar das Zeug, unsterblich zu werden. Dabei fing die gelenkige Leuchte unter dem preislich schlechten Vorzeichen der Fertigung in Handarbeit an, Hersteller Artemide wollte es so. Erst durch Sappers Beharren auf einer industriellen Fertigung halbierte sich der Preis, wodurch dann auch der Absatz rapide anstieg.
Der 2005 zum „Designer des Jahres“ ausgezeichnete Tizio-Vater gab sich vor einem Vierteljahrhundert eher wortkarg und erklärte im „Atlas des italienischen Designs 1940/80“: „Ich finde, dass der Designer sich durch seine Arbeit ausdrücken muss, nicht durch verbale Erklärungen. Ich habe daher über meine Arbeit nichts zu sagen.“
Heute ist der 76-jährige schon gesprächiger, äußerte sich in einem Interview über seine Arbeit und sogar über die Konkurrenz. So outete er sich nicht nur als Smart-Hasser, sondern überraschte ebenso mit der Erkenntnis: „Außerdem finde ich den Flachbildschirm von Apples neuem iMac hervorragend. Ich wüßte nicht, was ich daran besser machen könnte.“ Auch sonst scheint sich Sapper über Apple öfters Gedanken zu machen: „Früher war das völliger Kitsch, was Apple machte, seit ein paar Jahren ist es erstklassig. Deren iPod ist ein Juwel, und seine Verpackung das Beste, was ich je an Verpackung gesehen habe.“ Die Bewunderung scheint gegenseitiger Natur zu sein, wie Apples Tizio-Designstudie zeigt.
Leider war Sapper niemals für Apple, sondern „nur“ für IBM tätig, wo er ab 1980 als beratender Designer arbeitete. Mit zu seinen bekanntesten Werken zählen das ThinkPad 701 mit expandierender Tastatur namens TrackWrite sowie der Monitor 9514 – beide ausgezeichnet mit dem iF Product Design Award (Industrie Forum Design Hannover). Wer erfahren will, was Sapper außer Lampen und Computern alles noch entworfen hat – die Bandbreite reicht vom melodischen Wasserkessel bis zum Urahnen aller tragbaren Fernsehgeräte –, kann dies beispielsweise im virtuellen Museum der Universität von Delft, Niederlande tun.
Frischer Wind
Nach der Übernahme von NeXT am 20. Dezember 1996 vergingen noch über zwölf Monate bis die ersten Änderungen beim Design der Hardware auch für Kunden sichtbar wurden. Es war jedoch nicht der iMac, der den Anfang machte, sondern das erste Studio Display auf TFT-Basis sowie eine neu gestaltete PowerBook-Linie, die Assoziation an weibliche Rundungen oder auch die Silhouette einer klassischen Coca-Cola-Flasche weckte. Im Frühjahr 1998 erschienen die neuen PowerBooks mit G3-Prozessor, Codename Wallstreet. Das mit dem iF Product Design Award 1998 preisgekrönte Design von Richard Howarth und Chris Stringer der Baureihen Wallstreet, Lombard und Pismo wurde binnen zwei Jahren kontinuierlich verfeinert und noch vor dem iMac Liebling der Werbefotografen. Für das „atmende“ Schlaflicht des Pismo ließ Jonathan Ive zunächst einen eigenen Schaltkreis entwickeln, der später von einer Softwarelösung ersetzt wurde.
Hartmut Esslinger
Insbesondere das Team um Hartmut Esslingers 1969 gegründetes Unternehmen frog design (frog = federal rebublic of germany) als Formgeber der frühen Apple- und gesamten NeXT-Produktlinie ist markantes Beispiel für die Realisierung angedachter Visionen. Hartmut Esslinger verdankte sein kalifornisches Büro – und damit den Eintritt in den US-Markt – im wesentlichen Steve Jobs und einem Exklusivvertrag mit Apple, für den frog design neben einer Abrechnung auf Stundenbasis jährlich eine Million US-Dollar erhielt. Entgegen vertraglicher Vereinbarungen und zur Erleichterung der damaligen Geschäftsleitung löste Esslinger seine Bande mit Apple vorzeitig auf und ging den Weg gemeinsam mit Steve Jobs, um den NeXTcube zu entwerfen.
Den 1944 geborenen Freizeit-Jazzpianisten Hartmut Esslinger beschäftigte seit jeher die Frage, ob etwas wirklich immer so aussehen müsse, wie man es seit Generationen gewohnt war. Muss ein Behandlungsstuhl beim Zahnarzt an eine Todesmaschine oder ein Fernseher an einen Sarg erinnern? Zusammen mit seinen frühen Wegbegleitern Andreas Haug und Georg Spreng ließ Esslinger 1969 Taten folgen und erlöste mit seinem TV-Gerätedesign für den deutschen Hersteller Wega Fernsehkonsumenten von dem Zwang, allein der bunten Bewegtbilder wegen eine monströse Holzfurniertruhe mit gelochter Sperrholz-Rückwand zwischen möglicherweise ja vorhandene Designmöbel stellen zu müssen.
Seither folgten unzählige Produkte, am bekanntesten immer noch der Apple IIc (Codename „Snow White“) sowie die darauf folgende Macintosh-Linie. Eine Studie belege, dass über 150 Millionen Menschen mit den von frog design gestaltenen Produkten in Berührung gekomen wären. Kein Wunder, wird von frog design schließlich kaum eine Produktkategorie ausgelassen, seien es Multimedia-Anpassungen von Möbelsystemen, Waschtisch-Armaturen, Rollerskates, Sonnenbrillen, medizinische Geräte, kompakte Stereoanlagen, PCs und Monitore, ganze Firmendesigns oder auch das Erscheinungsbild von WWW-Seiten sowie sonstigen Bedienflächen. Welcher Verantwortliche genau hinter jedem Design steckt, erfährt der Konsument nicht. Wie auch Apple seit Jahren keine Namen der Entwickler mehr in seinen Anwendungen nennt, ist frog design eben frog design.
Überteuerte Systeme wie der IIfx machten es Jobs „Exilfirma“ NeXT anfangs einfach, schnellere und billigere Modelle als Apple zu entwickeln. Das Aussehen des NeXTcube mit seinem MegaPixel Display scheint eine Reverenz an das Jonathan-Design zu sein, allerdings mit verändertem technologischen Konzept. NeXT ließ die Idee des ganzheitlichen Designs, wie von Jobs und Esslinger favorisiert, wieder aufleben. Hardware samt Peripherie, Kabel und aller Verpackungen waren bis aufs i-Tüpfelchen aufeinander abgestimmt.
Spätestens seit dem Platzen der Dotcom-Blase an der Wallstreet ist es um Esslingers frog design deutlich ruhiger geworden, aus dem Unternehmen wurde eine Agentur von vielen. Die fetten Jahre des Industriedesigns sind vorbei, denn kaum ein Konzern verzichtet heute noch auf eine interne Designabteilung. Dies bekam auch frog design zu spüren, wurde zahlungsunfähig und musste Ende 2001 fast seine gesamten deutschen Wurzeln aufgeben, unter anderem die Büros in Berlin und Düsseldorf schließen. Zwar blieb auch der Ort der Firmengründung, Esslingers Heimatort Altensteig auf der Strecke (dort war einst sein Frosch Fridolin das Maskottchen), doch kehrte frog design bald wieder nach Europa zurück, öffnete Büros in Mailand und im schwäbischen Herrenberg. Auf den firmeneigenen WWW-Seiten lässt sich ein Blick auf die zahlreichen Meilensteine in der Geschichte des Unternehmens werfen.
Woodstock und Jetsons
Im Juli 1997 kehrte Steve Jobs zunächst als iCEO offiziell zu Apple zurück. Schon am Tag nach seinem Amtsantritt wurde mit der Entwicklung des iMac begonnen, der ab dem 15. August 1998 zu haben war. Der Weltöffentlichkeit vorgestellt wurde der iMac im Flint Center Theatre, wie schon sein Urahn fünfzehn Jahre zuvor (24. Januar 1984), der originale Macintosh. Auf dem Bildschirm des iMac stand daher „Hello (again)“ – in Anlehnung an das „Hello“ im Orwell-Jahr. Der kleine Rechner im Bonbon-Kleid des Neuseeländers Danny Coste aus dem von Jonathan Ive geleiteten Designteam wurde von vielen vorschnell als gestalterische Laune abgetan. Und wer erinnert sich nicht an „Bondi“ (Blau), „Blueberry“ (Aquamarin), „Strawberry“ (Rosarot), „Tangerine“ (Orange-Rot), „Lime“ (Hellgrün), „Grape“ (Purpur), „Graphite“ (Grau) oder „Snow“ (Weiß), was in psychedelischen Explosionen namens „Blue Dalmation“ und „Flower Power“ gipfelte und endete, woraufhin so mancher schon am Verstand Ives zweifelte. James Dyson fand so den zu seinen Staubsaugern passenden Computer, der berühmt-berüchtigte Computerclub des WDR stellte Ähnlichkeiten mit einem transparenten Dampfbügeleisen fest, Autofreunde sahen im iMac zuhause die ideale Ergänzung für ihren New Beetle, Uhrensammler konnten ihre Swatch-Sammlung stilgerecht katalogisieren, und ganze Kerle taten die Formen und Farben des Einstiegsmodells von Apple als viel zu mädchenhaft ab. Die zwischen den modischen Einflusswelten gefangene Technogeneration fand dagegen eine Internetmaschine passend zu ihren bunten Brillen und nicht minder farbigen synthetischen Traumwelten. Der Spaßcomputer war geboren – George, Astro und Elroy Jetson wären entzückt gewesen.
James Dyson
Wer denkt, dass es kaum banalere Geräte als Staubsauger gibt, irrt sich natürlich. Der 1947 im englischen Norfolk geborene James Dyson steht für einen bemerkenswerten Kampf des fast schon besessenen Tüftlers gegen eine absolut desinteressierte und verschlafene Industrie. Dieser Kampf führte so weit, dass am Ende Dyson seine Staubsauger selbst herstellte und all jene konsequent verklagte, die ihm ehemals die Tür wiesen aber nun zu kopieren suchten. Auch Ive und Jobs haben Staubsauger Dysons bestellt – und das deutlich vor dem ersten iMac, der tatsächlich wie ein Computer-gewordener Staubsauger Dysons aussieht. Während Dyson bis heute dem bunten und transparenten Kunststoff verbunden blieb, hat Apple sich aufs Aluminium verlagert.
In Dysons lesenswerter Autobiografie „Sturm gegen den Stillstand“(Hoffmann und Campe, ISBN 3-455-09460-0, 24,90 Euro) erfahren wir auf Seite 341, dass 1995 sowohl Jonathan Ive als kurze Zeit später auch Steve Jobs einen Dyson geliefert bekamen und der Ideengeber hinsichtlich der Verwendung von transparentem Kunststoff in einem Technologieprodukt damit geklärt sein dürfte. Nur wenige Jahre später erschien der erste iMac und wurde zu einem der größten Verkaufserfolge in der Geschichte Apples.
Dyson, der Ende der Sechziger Innenarchitektur und Möbeldesign am Londoner Royal College of Art studierte, ist aber nicht nur Designer, sondern auch selbst Design-Fan. Und so verwundert es wenig, dass er seine Favoriten der Gestaltung eigens in einer Broschüre beschrieben hat, in der sich u. a. der „Lounge Chair“ von Charles Eames, der Walkman von Sony, die Citroën DS und sogar der Flugzeugmotor RB211 von Rolls Royce finden oder dass er mit dem Modeschöpfer Issey Miyake zusammenarbeitet, der Dysons Formensprache auch in seine Kleidung einfließen lässt.
Schminkspiegel und Klodeckel
Nach dem Riesenerfolg des iMac schloß der blauweiße G3-Tower auf und etablierte die eingeschlagene Richtung der Verwendung transparenten Kunststoffes. Der neue Profi-Desktop ging hinsichtlich seiner gestalterischen Innovation aber ein viel geringeres Risiko ein und folgte eher üblichen Mustern, obgleich der oberste Laufwerkseinschub zugunsten eines selten benötigten Griffes geopfert wurde.
Wenige Monate später folgte das tragbare Äquivalent zum iMac, das iBook. Das iBook war der deutlichste Stilbruch im Computerbereich, was ihm Umschreibungen wie Klodeckel, Waschbecken oder Schminkspiegel einbrachte. Das Consumer Portable im Neon-Handtaschen-Look fand seine Abnehmer bei der jüngeren Generation als peppiger Begleiter für Schule und Studium sowie als modische technische Ergänzung bei einer vorwiegend weiblichen Käuferschaft. Zahlreiche Frauenmagazine entdeckten durch das iBook plötzlich die Informatik, neben seinem knalligen Äußeren war das iBook aber auch außerordentlich robust und setzte sich damit dem Trend immer filigraner und empfindlicher werdender Notebooks nonkonformistisch entgegen.
Der gefallene WĂĽrfel und die Sinnfrage
Im Herbst 2000 rundete der G4 Cube Apples Produktpalette um ein Modell ab, welches sich am ehesten im Heimbereich anspruchsvollerer Augenmenschen positionierte und sich nüchtern unterkühlt gab. Folgerichtig verfügte der Cube über ein passives System zur Kühlung – schon der Apple /// hatte auf Drängen Steve Jobs keinen Lüfter. Zusammen mit einem Cinema-Display im 16:10-Format war er als multimediales Terminal für die Wiedergabe von DVD-Filmen und die Videonachbearbeitung prädestiniert. Das 1998 entfärbte Apple-Logo war noch die unruhigste Form auf der transparenten Softline-Geometrie. Das Zwängen der lüfterlosen Würfelform in ein kleines transparentes Korsett führte prompt zu Fertigungsproblemen wie den berüchtigten Kunststoffgraten.
Titan und Aluminium
Schon kurz nach der Jahrtausendwende läutete Apple eine weitere Kehrtwende im Design ein. Das PowerBook G4 Titanium war zwar noch mit Abdeckplatten aus lackiertem Titan versehen, bedeutete aber die vollständige Abkehr Apples von aller bunten Verspieltheit. Auf graumetallic-lackiertes Titan folgte in der Profilinie der bewährte Werkstoff Aluminium, der vom PowerBook über den Power Mac sowie deren Nachfolger MacBook Pro/Air und Mac Pro seinen Siegeszug in fast allen Segmenten des Herstellers fortsetzte und mittlerweile auch das Material der Wahl für Tastaturen und den iMac darstellt. Letzte Überlebende der Kategorie transparanter Kunststoff waren bis Herbst 2007 die als USB- und Bluetooth-Versionen verfügbaren Apple Keyboards A1048 und A1243, die neben Texten auch allerlei Schmutz aus der Umgebung dankend in Empfang nahmen – nicht die ersten Fehlkonstruktionen aus dem Hause Apple.
Apple honorierte den Umstieg von PPC- auf Intel-Prozessoren mit keinerlei Design-Statement und verdeutlichte damit seinen Kunden, dass die Firma trotz Abkehr von IBM und Motorola immer noch dieselbe geblieben war. Aus dem iBook wurde lediglich ein MacBook, aus dem PowerBook ein MacBook Pro und aus dem Power Mac ein Mac Pro – äußerlich sonst kaum zu unterscheiden. Der berühmte iMac durfte seinen Namen bis heute behalten und steht damit trotz seines über die Jahre stark gewandelten Designs für eine Dekade Macintosh-Kontinuität bei Apple.
WeiĂź und Schwarz
Weiß steht gemeinhin für Leere, ein unbeschriebenes Blatt, Reinheit, Unbeflecktheit, selbst Himmlisches. In der Liturgie der Kirche repräsentiert Weiß Licht, Auferstehung und Leben. In der Politik ist Weiß als Zeichen der Neutralität bekannt, im Krieg steht Weiß für Aufgabe oder die Ankündigung eines Parlamentärs, in der Werbung für ein hohes Maß an Sympathie. In Asien allerdings ist Weiß Symbol der Trauer, aus chinesischer Sicht gar Krankheiten förderlich und hierzulande auch Symbol von Totenblässe, Kälte – bei Autos als Statement maximaler Einfallslosigkeit unbeliebt. Schwarz wiederum hat eine lange technische Tradition, gilt als Inbegriff des Geheimnisvollen oder der Magie. Obgleich Weiß die Heiligkeit gepachtet zu haben scheint, tragen Priester und Rabbiner bevorzugt schwarz, sind im Gegensatz zu Asien schwarze Gewänder Ausdruck von Trauer und Ernsthaftigkeit. Apple bedient sich beider Zustände mittlerweile gleichermaßen, sowohl iPhone als auch MacBook sind in Schwarz und Weiß erhältlich, was im Gegensatz zur absoluten Weiß-Dominanz von iBook und iMac von 2002 bis 2007 steht. Auffallend dabei: Während beim MacBook das Spitzenmodell schwarz ist, ist es beim iPhone weiß – als wolle der Hersteller seine Kunden verwirren. Weiß ist bei Apple zwar immer noch gern genutztes Design-Statement, muss sich nun aber auf eine fast schon zu übersehende Nebenrolle konzentrieren. Von einer einheitlichen Design-Richtlinie kann keine Rede mehr sein, oft treffen weiße Netzteile und Kabel auf schwarze Geräte oder Zubehörteile, bei Apple oft Zeichen eines bevorstehenden Wandels, man erinnere sich an die gestreiften Aqua-Oberflächenelemente in Mac OS X während der gleichzeitigen Abkehr von mit Streifen durchsetztem transparentem Kunststoff. Aus ästhetischer Sicht ist diese Unentschlossenheit aufgrund womöglich von konzeptionellen Hemmnissen zu bedauern, der Kunde muss sich also auch in der geschlossenen Apple-Welt in nicht seltenen Fällen mit Mischkonfigurationen in Schachbrettästhetik begnügen.
Dieter Rams
Dieter Rams aus Wiesbaden hat wie kein anderer vor ihm schon früh herausgefunden, dass auf das Wesentliche reduziert verpackte Technologie kein Understatement, sondern ihre beste Visitenkarte ist. Ein flacher Lautsprecher spricht optisch am besten für sich, weil man ihm seine minimalistische Technik ansieht. Der 1932 geborene Rams stand stilprägend für Jahrzehnte des Herstellers Braun (Zitat Rams: „Bei uns gab es damals die Devise, nur ein neues Produkt zu lancieren, wenn es auch eine wirkliche Neuerung in der Funktion gab.“), seit seinem Abschied 1997 und der Verdünnung der Produktlinie Brauns kann von einem Braun-typischen Design kaum mehr die Rede sein, Braun wurde beliebig.
1947 begann Rams an der Werkkunstschule Wiesbaden ein Architekturstudium, um es ein Jahr später für eine dreijährige Tischlerausbildung zu unterbrechen und 1953 mit Auszeichnung abzuschließen. Er arbeitete anschließend kurz für den Architekten Otto Apel, der während der Hitler-Diktatur dem Team Albert Speers angehörte. 1955 wechselte er als Architekt und Innenarchitekt zum Kronberger Unternehmen Braun, wo er von 1961 bis 1968 den Posten des Produktdesign-Leiters bekleidete und bis 1995 Direktor für Produktdesign war. Als Möbelgestalter wurde er mit dem Segen Erwin und Arthur Brauns ab 1959 zunächst für den Frankfurter Hersteller Vitsœ+Zapf (Niels Wiese Vitsœ und Otto Zapf), dann Vitsœ und später die Kölner Firma sdr+ (Systemmöbel Dieter Rams) tätig.
Anfang 2008 ging es quer durch alle Apple-orientierten Internetseiten: Apples Design war nur ein Plagiat, die Originale stammten von Braun. Jonathan Ive mag Dieter Rams zwar verehren, alles andere wäre jedoch zu einfach, denn die Moderne entstand vor fast neunzig Jahren vor allem im Bauhaus Dessau, seither geht es bestenfalls noch um den Kampf von Nuancen oder die Kunst, komplexe Dinge in geometrische Formen zu zwängen. Modern ist die klare geometrische Linie, Flachbildschirme einerseits und funktionelle Form andererseits erschweren gestalterische Exzentrik und nivellieren die Produktlinien ohne weiteres auch firmenübergreifend – Technologieprodukte sind allesamt modern, irgendwie zumindest.
Der Plagiatvorwurf gegen Ive als Rams-Kopist ist schnell ad absurdum geführt. Die betreffenden Geräte von Braun sehen jenen von Apple nur aus ganz bestimmten Perspektiven entfernt ähnlich und haben völlig andere Abmessungen, technisch klaffen zwischen den Produktwelten riesige Lücken. Besonders dämlich ist dabei die Gegenüberstellung eines iPhone mit abgebildetem Taschenrechner-Display und einem Braun-Taschenrechner aus der ET-Reihe. Was der eine real hat, nämlich eine Tastatur, ist beim anderen lediglich eine abgebildete Grafik, die bereits beim iPhone 3G gänzlich umgestaltet wurde. Einer ähnlichen Logik folgend würde ein Cinema Display mit einer Mondrian-Grafik als Hintergrundbild ebenso schnell zu einem Mondrian-Plagiat, was wohl kaum jemand behaupten würde. Und die Gehäuse eines ET 55 sowie eines iPhone sind gestalterisch zu weit voneinander entfernt, um noch Gemeinsamkeiten zu erkennen. Ein schöner Traum wäre allerdings, würde die alte Braun AG heute Computer herstellen und Rams’ Team deren Gestaltung übernehmen …
Für Fans: Rams’ alte Braun-Entwürfe lassen sich mittlerweile in hochwertig restaurierten Editionen und neuster Technik zu Sammlerpreisen erstehen.
Fazit
Eine gestalterische Richtlinie erfunden oder zumindest bedeutend geprägt hat Apple wohl kaum. Wenn man jedoch beim Hersteller aus Cupertino in gestalterischer Hinsicht etwas feststellen kann, dann die Tatsache, dass Apple überwiegend Technologie nicht nur notdürftig verpackt hat, sondern stets ästhetische Statements abgeben wollte.
Jonathan Ive und Apple wurden dank Steve Jobs zwei untrennbare Größen. Ähnliche Fälle gab es im Zusammenhang mit der früheren Braun AG und Dieter Rams sowie Bang & Olufsen (B&O) aus dem dänischen Struer und Jacob Jensen. Sowohl Braun als auch B&O greifen längst auf die Dienste anderer Designer zu, deren gestalterisch prägnanteste Zeit war jedoch jene von Rams bzw. Jensen. Ob man nun bei Apple seit Jonathan Ive von einer nie da gewesenen ästhetischen Qualität ähnlich der Braun-Produkte der späten 50er bis frühen 80er oder aber der B&O-Produkte der 70er sprechen kann, sei dahingestellt. Auch Apple wurde aber Opfer zahlreicher Imitationen, was zweifellos als Zeichen dafür zu werten wäre, dass Ive die Konkurrenz zumindest zu beeinflussen weiß. Natürlich hatte Braun in den Fünfzigern kaum Vorbilder für seine Küchengeräte, Radios und Rasierer, wohingegen Apple sich in Jahrzehnten des industriellen Designs umschauen konnte. Die Verwendung gleicher Materialien in unterschiedlichen Gerätekategorien macht jedoch keine Kopie aus. Und innerhalb einer Stilrichtung wie der Moderne gibt es zwangsläufig immer Ähnlichkeiten. Selbst Le Corbusiers Chandigarh und Oscar Niemeyers Brasilia könnten sich über solche Gemeinsamkeiten nicht hinwegsetzen. Sobald bei einem Gerät wie einem Laptop gerade Linien vorherrschen, schwinden die Unterscheidungsmerkmale zu anderen Vertretern der geraden Linie unweigerlich. Das war anders, als Apple noch die erste iBook-Generation fertigte. Deren verspielte Farb- und Formgebung hätte aber zu leichtfertig die Tür zu bestimmten Märkten verschließen können, weshalb man nach wenigen wilden Jahren wieder gestalterische Ruhe einkehren ließ. Lediglich im Entertainment-Bereich wagt Apple heute noch den Farbtupfer, in allen anderen Geschäftsbereichen folgen Ive und Jobs der funktionalen Form und der Reduzierung auf das Wesentliche.
Dass Apple seine Auffassung von gutem Design von einem Tag auf den anderen ändern kann, erfuhren interessierte Beobachter Anfang Juli 2008 mit der Einberufung des Segway-Technologiechefs Doug Field zum Vizepräsidenten für Apples Produktdesign. Noch fünf Jahre zuvor meinte Steve Jobs über den Segway: „Its shape is not innovative, it’s not elegant and it doesn’t feel anthropomorphic“ (Seine Form ist nicht innovativ, er ist nicht elegant und passt sich dem Menschen nicht an). In einem Spiegel-Interview vom Februar 2000 stellte der Apple-Chefdesigner Jonathan Ive denn auch zutreffend fest: „Das größte Risiko wäre gewesen, nichts Neues mehr zu schaffen.“ Und doch scheint die Zeit bei manchen Apple-Produkten stillzustehen, vor allem die Pro-Reihen tragbarer und stationärer Macs entwickeln sich optisch nur im Schritttempo weiter, was der Konkurrenz auffällig lange Zeit lässt, es dem Design-Platzhirschen gleichzutun.
David Andel