Front Row

Kein Platz mehr in der ersten Reihe

Apple scheint in Mac OS X 10.7 Lion seine Medienanwendung Front Row zugunsten von Apple TV endgĂŒltig aufgegeben zu haben. Ein Mac mini als direkt am Fernseher angeschlossener Medienserver – das ist nun die Sache anderer Software-Lösungen.

Immerhin, trotz stiefmĂŒtterlicher Pflege bekam Front Row unter Mac OS X 10.5 Leopard bei Apple noch seine eigene WWW-Seite zugestanden. Mit gerade einmal vier SĂ€tzen beschrieb das Unternehmen seine Medienanwendung dann unter Mac OS X 10.6 Snow Leopard und ließ somit spĂŒren, dass es etwas die Lust daran verloren hatte. Unter Mac OS X 10.7 Lion lautet die firmeneigene Verbindungslösung zwischen Mac und Fernseher schließlich nur noch das knapp 120 Euro teure Apple TV, eine Entscheidung, die ein weiteres Mal befĂŒrchten lĂ€sst, dass bei Apple ohne Moos nix mehr los sein könnte.

Apples TV-Strategie ist insgesamt merkwĂŒrdig, denn schon wer auf den WWW-Seiten des Herstellers nach dem Produkt Apple TV sucht, findet es nicht auf Anhieb. Informationen ĂŒber das gute StĂŒck zum FernsehglĂŒck gibt es nur auf einem Umweg, nĂ€mlich versteckt im Bereich iPod. Dort zu lesen ist dann die Beschreibung eines GerĂ€ts, das ausschließlich dazu vorgesehen zu sein scheint, im iTunes Store gekaufte oder geliehene Filme im Fernsehen anschauen zu können. Eine vorhandene DVD-Sammlung ist dafĂŒr ebenso irrelevant wie selbst digital aufgezeichnete TV-Sendungen oder auch selbst gedrehte Videos. Apples kleine Box dient zumindest laut Beschreibung vor allem zu einem, dem Konsum. Und nicht etwa dem Konsum ĂŒberall, nein, dem Konsum ĂŒber die Apple-eigenen VertriebskanĂ€le.

Front Row hingegen diente noch einem Zugewinn an Komfort, der nicht an einen speziellen Konsum gebunden war. Ein Satz wie „Beeindrucke Freunde mit einer umwerfenden bildschirmfĂŒllenden Anzeige deiner Lieblingsfilme und -fotos mithilfe von Front Row.“ muss man in der Beschreibung von Apple TV suchen, eher kommt es hier darauf an, Apple mit UmsĂ€tzen zu beeindrucken: „Die Filme und Fernsehsendungen, die du in iTunes gekauft hast, mĂŒssen nicht auf deinem Computer bleiben.“ Die Devise lautet kaufen, kaufen und nochmals kaufen – oder mieten. Daher ergab es auch keinen Sinn fĂŒr Apple, Front Row weiterzuentwickeln, sondern aus Front Row wurde Apple TV, einem weiteren Einfallstor zum iTunes Store.

Wer Front Row bislang verwendete, hatte es ohnehin alles andere als leicht. Die in den USA gebrĂ€uchlichen komfortableren erweiterten Untertitel „Closed captions“ unterstĂŒtzte Front Row nie und selbstkonvertierte Filme mussten sich schon genau an die Apple-Vorgaben halten, um dargestellt zu werden. Sogar die UnterstĂŒtzung der Aperture-Bibliothek erfolgte erst lange nach der EinfĂŒhrung der Anwendung fĂŒr Profi-Fotografen. Ganz klar, Front Row nervte den Hersteller, solange Apple TV aber nicht als hinreichende Alternative funktionierte, wurde die Anwendung halt mitgeschleppt.

Interessant wird unter Mac OS X 10.7 Lion daher die Weiterentwicklung von Anwendungen wie iTunes oder dem DVD Player werden. Denn wer bisher mittels Apples DVD Player eine DVD auf einem angeschlossenen TV-GerĂ€t schauen will, muss mit eher rudimentĂ€ren Informationen auskommen, noch nicht einmal die Restspielzeit lĂ€sst sich ohne Nutzung der Maus komfortabel anzeigen, was unter Mac OS X 10.4 Tiger noch ging. Leider ist auch die kostenlose Anwendung VLC mit ihrer wenig intuitiven Kontrolle per Fernbedienung keine wirkliche Alternative. Und ob der VLC-Nachfolger Lunettes jemals Alltagstauglichkeit erreichen wird, sei dahingestellt.

Immerhin, noch bietet Apple seine Infrarot-Fernbedienung Remote als Sonderzubehör fĂŒr iMac, Mac mini und MacBook/MacBook Pro an, so dass die Einbindung eines Macintosh Computers ins multimediale Umfeld auch ohne große UmstĂ€nde erfolgen kann. Nicht unwahrscheinlich aber, dass auch dieser kleine zusĂ€tzliche Komfort nur noch vorĂŒbergehender Natur ist.

David Andel