Goldgrube iTunes

Bon Jovi ĂĽber iTunes

Wer hätte gedacht, dass das Erinnerungsvermögen Jon Bon Jovis derart kurz zurückreicht. Der Sänger behauptete am Sonntag im britischen „The Sunday Times Magazine“ doch glatt, dass Steve Jobs persönlich die Musikindustrie umgebracht hätte.

In einem Gespräch mit der zum Murdoch-Konzern gehörenden Zeitungsbeilage „The Sunday Times Magazine“ (Abonnement erforderlich) bezichtigte der US-Sänger Jon Bon Jovi den Apple-Vorstandsvorsitzenden Steve Jobs, dieser habe mit iTunes die Musikindustrie auf dem Gewissen. Die besondere Erfahrung beim Kauf traditioneller Tonträger und zunehmend viele echte Schallplattenläden blieben durch den Erfolg von iTunes auf der Strecke: „Heutige Kinder haben die Erfahrung verpasst, den Kopfhörer aufzusetzen, die Lautstärke auf zehn zu stellen, die Schallplattenhülle in der Hand zu halten, die Augen zu schließen und sich dann in der Musik zu verlieren. Auch die Schönheit des Vorgangs, das Taschengeld nur wegen der Hülle zu investieren, ohne zu wissen, wie etwas klingt, sich den Inhalt nur anhand einiger Bilder vorzustellen.“, so Bon Jovi. „Gute Güte, das war eine magische, magische Zeit. Ich hasse es, jetzt wie ein alter Mann zu klingen, aber ich bin es wohl. Erinnern Sie sich an meine Worte, schon in einer Generation wird man sich nämlich fragen, was passiert ist. Steve Jobs ist persönlich für den Tod der Musikindustrie verantwortlich.“, so das Fazit des Sängers.

Eine Menge Sinnlichkeit blieb auf der Strecke, so viel ist klar. Wer heute ein Musikstück abspielt, der öffnet eine Datei, mehr nicht. Da muss nichts aufgelegt und eingestellt werden, da dreht sich nichts, da knistert auch nichts mehr – die Lautstärke wird per Tastendruck oder Tippen auf dem Touchscreen geregelt. Andererseits aber kann Musik so originalgetreu wie nie zuvor klingen – wohlgemerkt kann. Denn wer will, der kann unheimlich viel Geld in unheimlich gute Lautsprecher investieren, die Grenzen setzt dabei alleine der Geldbeutel. Und was die Sinnlichkeit angeht, kamen auch Eigenschaften hinzu, die man sich zu Zeiten knisternder LPs und materialintensiver Bandmaschinen allenfalls vorstellen konnte. So sieht man heute auf Wunsch riesige animierte Cover-Darstellungen auf seinem TV-Gerät oder kann die Musik in psychedelisch-anmutenden Animationen bildhaft darstellen lassen

Aber was genau hat Steve Jobs mit den Problemen der Musikindustrie zu tun? Eben, nichts. Jobs nahm sich lediglich zu Herzen, was die Musikverlage alleine niemals vollbracht hätten. Und mit seinem Angebot des kommerziellen digitalen Musikvertriebs erschien er als einzig verfügbarer weißer Ritter zu einer Zeit, als Musik noch massenhaft, technisch reibungslos und selbstverständlich unentgeltlich erworben wurde. Die Musik hatte ihren kommerziellen Wert komplett verloren, wie vor ihr das geschriebene Wort und nach ihr das bewegte Bild. Digitalisierung bedeutet zu einem Gutteil Entwertung, Rationalisierung, Entzauberung – kann aber auch Demokratisierung heißen, denn vieles, was zuvor noch Geld kostete oder schwer zugänglich war, das wurde frei und leicht verfügbar – für fast jedermann. Kreativ Schaffende aller Art, ob Autoren, Dokumentaristen, Filmemacher, Fotografen, Maler oder Musiker und deren Vertriebspartner werden diese Entwicklung natürlich nie gutheißen. Dennoch ist dies der Status Quo, dennoch lässt sich hier die Zeit nicht mehr zurückdrehen.

David Andel