„Der Schreibtisch – endliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2011. Dies sind die Abenteuer des Computers Macintosh, der mit seiner ein Mann starken Besatzung fünf Jahre lang unterwegs ist, um neue Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. Viele Lichtjahre von Windows entfernt, dringt der Computer Macintosh in die Weiten des Internet vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.“
Er ist in Ohio in der gleichen Klinik wie der Sänger und Schauspieler Dean Martin und die Porno-Darstellerin Tracy Lords geboren und für eine Fanfare verantwortlich, die wir alle immer wieder hören: Jim Reekes, Schöpfer des „Startup Chime“. Und an einen ähnlichen Satz wie die Einführung von Raumschiff Enterprise muss er wohl gedacht haben, als er besagte Fanfare Anfang der Neunziger komponierte. Seither startet der Mac nicht nur, er kündigt sich an, denn er ist schließlich nicht nur irgendein Computer. Reekes erfreut sich bis heute an seinem Werk: „Jedes Mal, wenn ich einen Mac starten höre, grinse ich.“
Der Komponist arbeitete zwölf Jahre als Programmierer bei Apple, seine Computerkenntnisse brachte er sich selbst als Anwender des Apple II und Macintosh 128k bei. Unter anderem verantwortete er den Sound Manager sowie sämtliche Mac-Startfanfaren seit 1991, denn seither ist die Klangfolge unverändert, die uns bei jedem Einschalten bestätigt, dass der Mac noch lebt. Bekannt wurde Reekes vor allem durch durch Sosumi, einem eher kurzen Startton, dessen Name sich aus der Schwierigkeit einer Komposition ableitet, die im Einklang mit dem rechtlichen Abkommen zwischen (damals) Apple Computer und der Beatles-Firma Apple Corps steht. Das Thema Musik und Mac war rechtlich heikel, durfte der Mac-Hersteller seinen Firmennamen doch nur beibehalten, wenn er sich aus allem raushielt, was mit Musik zu tun hatte. In Anspielung an diese problematische Situation sollte Sosumi denn auch zunächst „Let It Beep“ heißen, wurde zur besseren Konfliktvermeidung jedoch in Sosumi umbenannt, was sich später aber als Abkürzung von „So sue me!“ entpuppte, also „Verklage mich doch!“
Die Konsequenzen der Mac-Fanfare sind weitreichend, bis heute, die Beispiele dafür sind zahlreich. Wenn Frau G. aus B. morgens noch etwas verschlafen zur Arbeit erscheint und sich erst einmal in Ruhe auf einen anstrengenden Tag einstimmen möchte, dann sieht das ihre Vorgesetzte völlig anders und erscheint unmittelbar nach dem Einschalten ihres Computers in ihrem Büro mit einer riesigen Aufgabenliste, die schon vor zwölf Uhr mittags abzuarbeiten ist. Woher wusste sie nur, dass ihre Angestellte schon im Büro war? Der Schuldige ist ein Mac, und ein Mac hat seine eigene Fanfare … Bis zum Erscheinen von Mac OS X war die Startfanfare sogar einer der lästigsten Töne überhaupt. In jedem Büro, in dem sich ein Mac befand, war die Klangfolge fortwährender Indikator für den Neustart nach einem gerade erfolgten Systemabsturz. Abstürze gab es vor Mac OS X ausgesprochen oft, denn schmierte eine einzige Anwendung ab, nahm sie gleich das ganze System mit – Classic machte es seinen Anwendern nicht leicht. Je öfter man die Fanfare hörte, desto dünner wurde das Nervenkostüm des davor sitzenden Anwenders. Die Fanfare lässt sich zwar mit Tricks unterbinden, aber will man einen Computer ohne Ton oder immer daran denken, ihn vor dem Abschalten zu deaktivieren und nach dem Einschalten wieder zu aktivieren? Auch Werkzeuge wie StartupSound oder TinkerTool System arbeiten bei mehreren Sound-Interfaces leider nicht zuverlässig, bleibt so doch zuweilen auch die Lautstärke der Systemtöne nach dem Einschalten auf Null – der Teufel steckt offenkundig im Detail. Gibt man die Suchbegriffe „Startton Mac“ in Google ein, erhält man denn auch vorwiegend Tipps zum Abschalten desselben.
Die aktuelle Mac-Fanfare wird in diesem Jahr zwanzig Jahre alt und wurde im Gegensatz zu vorigen Mac-Generationen bei so gut wie keinem Nachfolge-Macintosh mehr verändert. Sie überstand den Wechsel der 68000er-Macs zu den PPC-Macs und sogar von den PPC-Macs zu den Intel-Macs. Dazwischen erfolgte noch so ganz nebenbei ein profunder Wechsel des Betriebssystems. Wer als Nostalgiker fast alle existierenden Mac-Starttöne mal durchhören will, der kann dies mit der Anwendung Mactracker tun. iPad, iPhone und iPod haben es geschafft, sich vom Startton zu emanzipieren, und das ist gut so. Heutzutage klingelt, piepst, summt und dröhnt schon genug Zeug um einen herum, was auf Dauer ziemlich anstrengend sein kann. Oft wird die Fanfare zur Last, beispielsweise für Nachtarbeiter, wenn der Partner im gleichen Raum schläft. Und es ist alles andere als praktisch, dem Mac mittels aller möglichen Manipulationsversuche die Startfanfare abgewöhnen zu müssen. Er sollte ganz einfach wahlweise abschaltbar sein – Computer sind schließlich dazu da, den Unterschied zwischen Null und Eins zu interpretieren.
David Andel