Zuckerbergs Dilettantismus

Alles halb so wild

„Übers Wochenende erhielten wir einige nĂŒtzliche RĂŒckmeldungen, dass wir es den Leuten deutlicher bewusst machen könnten, wenn sie den Zugriff auf diese Daten gewĂ€hren.“, schrieb Facebook seinen App-Entwicklern gerade einmal so, als ginge ums versehentliche Verschenken von Lutschbonbons an die falschen Kinder.

Wenn das soziale Netzwerk Facebook an einem Tag eine Option zum Zugriff auf Adressdaten ermöglicht, aber kurz darauf schon wieder ĂŒberdenkt, dann spricht das entweder fĂŒr erschreckenden Dilettantismus oder völliges Desinteresse am Gut der Kunden. Und es ist weder das erste noch das letzte Mal.

Facebook ist eine schöne Illusion. Theoretisch lassen sich so alte und neue Freunde finden, Freundeskreise selbst aus der Ferne pflegen, eigene Erlebnisse an bestimmte Zielgruppen weitergeben und soziale Ereignisse effizient wie gezielt planen. Nie war es außerdem so einfach, ĂŒber alles Interessante aus dem Leben anderer auf dem Laufenden zu sein. Nie waren diese Informationen aber auch so kinderleicht denjenigen zugĂ€nglich, die alles andere als Freunde sind. Und das bislang diffuse GeschĂ€ftsmodell von Facebook kann ĂŒberdies nur funktionieren, wenn es eine möglichst umfassende Verwertung sensibler Daten zulĂ€sst, einzige Hemmschwelle ist dann noch der Mausklick.

Wer bedenkt, wie kompliziert Internet-Banking ĂŒber die Jahre geworden ist, der kann absehen, dass die betroffenen Geldinstitute aus Schaden klug geworden sind, teilweise vielleicht auch ĂŒberreagiert haben, sich aber letztlich immer am Ă€ltesten Betriebssystem und dĂŒmmsten Anwender orientieren mĂŒssen, damit es nicht zu fortwĂ€hrenden BetrugsfĂ€llen kommt. Alternativ hĂ€tten diese Banken natĂŒrlich auch immer wieder sagen können „Hoppla, da haben wir doch beinahe Ihr Geld verschenkt – war nicht so gemeint!“ und wĂ€ren damit Facebook ein ganzes StĂŒckchen Ă€hnlicher. Facebook ist aber cool, Banken nicht.

Die zunehmende Fragmentierung des Internet in immer mehr voneinander getrennt verwertete Bereiche ist leider Konsequenz einer ungeregelten Kommerzialisierung und gefĂ€hrliche Entwicklung, die vollendete Tatsachen schafft, bevor diese verstanden und wahrgenommen werden können. WĂ€hrend regionale Gesetzgeber sich noch populistische Gedanken darĂŒber machen, wie herkömmliche Verbrechen nicht auch noch im Internet besondere BlĂŒten treiben, schaffen ungehemmt agierende Konzerne die solide Grundlage fĂŒr kĂŒnftige Bedrohungen. Sobald die PrivatsphĂ€re nur noch aus rein kommerzieller Sicht gesehen wird, wird sie auch zur schutzlosen AngriffsflĂ€che Krimineller, deren bisherige GeschĂ€ftsmodelle sich noch an Geldautomaten oder HaustĂŒren abspielten.

David Andel