Besucher und Bewohner von Europas Hauptstadt Brüssel werden sich schon bald fragen, wer wohl jener Joe Van Holsbeeck gewesen sein mag, nach dem eine kleine Straße im Stadtteil Haren (nahe des NATO-Hauptquartiers) benannt werden soll. Ein Schriftsteller, Politiker oder Komponist? Nein, ein iPod-Mordopfer.
Da er erst 17 Jahre alt war, als er starb, hatte Joe Van Holsbeeck noch kaum etwas erlebt oder erreicht, was ihm großen Ruhm hätte einbringen können. So war er weder jugendlicher Abenteurer, Spitzensportler noch Wunderkind – das einzige, was ihn hatte berühmt werden lassen, war die Art seines Todes.
Van Holsbeeck verlor am am 12. April 2006 nicht nur seinen iPod, sondern büßte auch noch sein Leben dafür ein. Da es Aufnahmen vom Tathergang im Brüsseler Zentralbahnhof gab, die fälschlicherweise auf Täter südeuropäischer oder nordafrikanischer Herkunft hätten schließen lassen können, waren die Befürchtungen damals groß, eine der rechtsextremen oder rechtsnationalen Gruppierungen Flanderns könne daraus politischen Profit schlagen, wozu es jedoch wider Erwarten nicht kam. Zur Erklärung: In Brüssel sind nur 5,3 Prozent der Bewohner Flamen, dennoch wird die politisch, kulturell und wirtschaftlich bedeutende Stadt von der belgischen Region Flandern als Hauptstadt beansprucht und ist seit Jahrzehnten Teil politischer Auseinandersetzungen.
Wie sich später herausstellte, waren die Täter nicht südlicher Herkunft, sondern polnische Staatsbürger. Der Tat vor knapp fünf Jahren folgte am 23. April 2006 eine beispiellose Solidaritätskundgebung mit 80.000 Teilnehmern für das Tatopfer, das wie viele seiner belgischen Altersgenossen auch Mitglied der Pfadfinder war. Vorläufiger Höhepunkt: Am 10. März schlug im Rahmen einer Anwohnerbefragung von Haren im WWW genau eine Person Joe Van Holsbeeck als Namensgeber einer kleinen Seitenstraße vor. Nur hundert der rund 20.000 Bewohner des Stadtteils hatten überhaupt an der Umfrage teilgenommen, auch die Eltern des jungen Mannes hatten von der Entscheidungsfindung offenkundig keine Kenntnis.
An was soll uns der Straßenname nun erinnern? An ein Leben, das wie so viele schon auf dieser Welt noch aus viel niederträchtigeren Gründen ausgelöscht wurde? An die unrühmliche Gier der Diebe, deren Existenz sich ohnehin schon am unteren Rand der Gesellschaft abspielte? Vielleicht ganz einfach das: Im vereinten Europa sind nicht alle Bewohner gleichermaßen wohlhabend und die Schere zwischen arm und reich wird immer größer. Glückliche iPad-, iPhone- oder iPod-Besitzer sollten daher schon zu ihrer eigenen Sicherheit ein Mindestmaß an Diskretion wahren.
David Andel