Sie wollen in den Krieg ziehen, sind aber noch nicht einmal zu Frieden imstande. Das politische MittelmaĂ Europas steuert mit voller Kraft in Richtung Postdemokratie. Nirgends ist ein Politiker vom Format Charles de Gaulles auszumachen, sondern nur zu strategischem Denken unfĂ€hige Kleingeister, die orientierungslosem Alarmismus frönen, ihre Staatshaushalte fĂŒr Generationen sinnlos ĂŒberschulden und Konfrontationen mit denjenigen suchen, deren VerbĂŒndete sie sein sollten.
Am 21. Juni 1966 entzog das GrĂŒndungsmitglied Frankreich der NATO die Kontrolle ĂŒber seine Truppen und veranlasste die SchlieĂung sĂ€mtlicher kanadischer und US-amerikanischer StĂŒtzpunkte auf seinem Hoheitsgebiet. UrsĂ€chlich waren die von den USA dominierte Kommandostruktur sowie unterschiedliche geostrategische Interessen. Infolgedessen zog die NATO vom französischen Rocquencourt ins belgische BrĂŒssel um. Die Entscheidung war unter der PrĂ€sidentschaft von General Charles de Gaulle erfolgt, dessen Vision die eines starken Frankreichs und eines vom US-Hegemon unabhĂ€ngigen Europas war. Seine Hoffnung eines kontinentaleren Europas erfĂŒllte sich indes nicht. Die restlichen Mitgliedsstaaten suchten die Wahrung ihrer Sicherheit schon aus wirtschaftlichen Interessen unverĂ€ndert in den USA. Auch Frankreich kooperierte weiterhin mit der NATO, folgte aber bis 2009 nicht mehr dem US-Befehl.
Wir befinden uns auf demselben Kontinent. Die Briten sind nicht auf diesem Kontinent, die Amerikaner auch nicht, Afrika auch nicht. Frankreich ist dort wie Russland. Wir haben andere spezifische Ziele als die Angelsachsen.
Charles de Gaulle zitiert von Philippe de Gaulle aus De Gaulle, mon pĂšre (2004, Seite 144-145)
Die sinnlose Fortsetzung abgewickelter US-Politik mit nicht vorhandenen EU-Steuergeldern ist ein zum Scheitern verurteiltes UngetĂŒm des Trotzes. Die Einheit der EU ist vorwiegend wirtschaftlicher Natur und die EU-Kommission als demokratisch illegitimes Schreckgespenst des Kontinents zu dessen FĂŒhrung ungeeignet. Eine RĂŒckkehr zum europĂ€ischen Selbstbewusstsein des Gaullismus mit politischem RĂŒckgrat und wirtschaftlicher EigenstĂ€ndigkeit ĂŒberfordert die 3M-Koalition (Macron, Meloni, Merz) der Willenlosen schon im Ansatz. Die Wiederherstellung sowie der Ausbau der Beziehungen zu Russland, um mit diesem einen Gegenpol zu den unberechenbaren WaffenbrĂŒdern USA und Israel aufzubauen, erscheint als einziger Ausweg aus einer sich auch in Europa zuspitzenden Situation. Allerdings hat sich der alte Kontinent mit der im letzten Akt aufgefĂŒhrten Ukraineposse selbst eine Falle gestellt, aus der auszubrechen die 3M nicht fĂ€hig sind.

Wir sind auf dem Weg in ein rechtsnationales Europa der Attentate, Wirtschaftskrisen und des Sozialabbaus. Diese bitteren Tatsachen sind nicht unausweichlich, sondern werden bewusst in Kauf genommen. Die EU-Politik orientiert sich trotz der megalomanischen Trump-Administration und entgegen anders lautender Behauptungen immer noch nach den USA, deren Politik des fernen Beobachters primitive Entscheidungen fördert, die kaum negative Auswirkungen auf die nationale Entwicklung der USA, sehr wohl aber die Europas haben. Die beispiellose militĂ€rische AufrĂŒstung mit US-Waffen oder Waffen von Unternehmen mit ĂŒberwiegender US-Beteiligung wird Europa dabei nicht helfen, sondern seinen Untergang nur weiter beschleunigen, was gerade am Beispiel USA erkannt werden sollte. Die hochgerĂŒstete Zweiparteiendemokratie erstickt in Schulden und gibt sich der Illusion hin, sie könne mit primitivem Nationalismus und einem fragwĂŒrdigen technologischen Glaubenssatz zu alter GröĂe zurĂŒckfinden.
Die herausragenden militĂ€rischen GroĂmĂ€chte an strategisch bedeutsamen Stellen in Europa sind Russland und die TĂŒrkei. Die marode britische Insel wird zeitlebens ihrem sterbenden Alter Ego USA Beistand leisten, wĂ€hrend das macronistische Frankreich dem Schicksal obliegt, seine neoliberale Totenstarre wie Catherine Deneuve ihr Alter oder GĂ©rard Depardieu seinen Alkoholismus zu ignorieren. Europa könnte mit geringer Anstrengung stabilisiert und stimuliert werden, löste es sich von seinen toxischen Freundschaften und Feindbildern, verfĂŒgt dazu aber nicht mehr ĂŒber das nötige Personal. Ein Dreivierteljahrhundert gesellschaftlichen GlattbĂŒgelns fĂŒhrte zu einer Politikergeneration, die eigenstĂ€ndiges Handeln verlernt hat und nur noch vom Volk entfremdeten wirtschaftlichen Interessen als Mittelpunkt ihres Tuns zu folgen in der Lage ist.
Wir wĂŒnschen uns, dass Sie, wĂ€hrend Sie standhaft und erfolgreich bleiben, auch geduldig und friedlich sind.
Charles de Gaulle zu Levi Eschkol im FrĂŒhjahr 1964
Die blinde Osterweiterung der militĂ€rischen NATO sowie der wirtschaftlichen und politischen EU waren kostspielige und bis heute zu spĂŒrende Fehler, die in Zentraleuropa kostenintensive Ăbervasallen der USA entstehen lieĂen und einen Stachel im Fleisch des russischen Nationalstolzes darstellen, den Michail Gorbatschow zugunsten eines von den neokonservativen USA verschmĂ€hten europĂ€ischen Hauses friedlicher Ausrichtung in voller Absicht abgelegt hatte. In kaum geringerem MaĂe fĂŒhrte die ausgebliebene SĂŒderweiterung der EU in Richtung TĂŒrkei zu einer bewussten Abwendung Istanbuls von europĂ€ischen Werten. Die GröĂe und Schlagkraft der tĂŒrkischen Armee ist bedeutender als die der israelischen Truppen, deren dauerhafter Einsatz fĂŒr strategisch unsinnige Kleinkriege an immer mehr Fronten zu einem hohen Abnutzungseffekt fĂŒhrt. Auch Israel folgt Trumps USA wie eine Motte dem Licht, wĂ€hrend eine betrĂ€chtliche Zahl der US-Administration vom radikalen Neozionismus verfĂŒhrt wird, als stĂŒnde der Wiederaufbau des zweiten Tempels in Jerusalem unmittelbar bevor, als hĂ€tte es eine Diaspora und PalĂ€stina nie gegeben.
Nun organisiert [Israel] in den von ihm eingenommenen Gebieten die Besetzung, die nicht ohne UnterdrĂŒckung, Repression und Vertreibung auskommt, und es regt sich Widerstand gegen es, den es wiederum als Terrorismus bezeichnet.
Charles de Gaulle wÀhrend einer Pressekonferenz am 27. November 1967
Das israelische Regime ist hinsichtlich seiner Ziellosigkeit und religiösen Verblendung kaum mehr in ein internationales Umfeld zu integrieren. Der so genannte demografische Krieg innerhalb seiner eigenen Grenzen ist besorgniserregend, das israelische ZentralbĂŒro fĂŒr Statistik geht davon aus, dass sich der Anteil orthodoxer Juden bis 2050 auf ein Drittel der jĂŒdischen Bevölkerung erhöhen, wĂ€hrend bis 2035 der arabische Bevölkerungsanteil von 20,5 auf 23% steigen soll. Der fortwĂ€hrende Landdiebstahl sorgt wĂ€hrenddessen fĂŒr entsprechenden Platz: von 1969 bis 2019 wurden mehr als 1.150 Beschlagnahmeanordnungen erlassen, in deren Folge 25.000 Morgen palĂ€stinensisches Land an die Besatzer fielen. WĂ€hrend der vergangenen Monate nahm die BrutalitĂ€t der neozionistischen Expansion im Westjordanland bedenkliche AusmaĂe an.
Die Errichtung zwischen den beiden Weltkriegen, denn bis dahin muss man zurĂŒckgehen, die Errichtung einer zionistischen HeimstĂ€tte in PalĂ€stina und dann nach dem Zweiten Weltkrieg die Errichtung eines Staates Israel warf damals eine Reihe von BefĂŒrchtungen auf. Man fragte sich, und selbst viele Juden fragten sich, ob die Ansiedlung dieser Gemeinschaft auf Land, das unter mehr oder weniger gerechtfertigten Bedingungen erworben worden war, und inmitten arabischer Völker, die ihr grundsĂ€tzlich feindlich gesinnt waren, nicht zu unaufhörlichen, endlosen Reibungen und Konflikten fĂŒhren wĂŒrde. Und manch einer befĂŒrchtete, dass die bis dahin verstreuten Juden, die das geblieben waren, was sie seit jeher waren, nĂ€mlich ein elitĂ€res, selbstbewusstes und herrschsĂŒchtiges Volk, wenn sie erst einmal an den StĂ€tten ihrer einstigen GröĂe versammelt wĂ€ren, dazu ĂŒbergehen wĂŒrden, ihren seit 19 Jahrhunderten gehegten, sehr bewegenden Wunsch âNĂ€chstes Jahr in Jerusalemâ in brennenden, erobernden Ehrgeiz umzuwandeln.
Charles de Gaulle wÀhrend einer Pressekonferenz am 27. November 1967
Gleichzeitig erhĂ€lt Israel immer mehr Zusagen ĂŒber Waffenlieferungen, im vergangenen Monat waren es Munition, LenkungssĂ€tze, ZĂŒnder und MunitionsunterstĂŒtzung im Wert von 6,75 Milliarden US-Dollar sowie 675,7 Millionen US-Dollar, Munition und MunitionsunterstĂŒtzung im Wert von 2,04 Milliarden US-Dollar, AGM-114-Hellfire-Raketen im Wert von 660 Millionen US-Dollar sowie Planierraupen fĂŒr 295 Millionen US-Dollar. Die Zahl seiner VerbĂŒndeten wird wie seine Wirtschaft allerdings immer kleiner. Sowohl Netanjahu verlĂ€sst sich dabei auf einen unberechenbaren Trump als auch Trump auf einen unberechenbaren Netanjahu. Die gleichermaĂen von der Witwe des Kasinomoguls Adelson unterstĂŒtzten Zwillinge des Wahns hegen keine Friedensabsichten, kennen keine Grenzen und dulden keinen Widerspruch. Sie sind es, die bekĂ€mpft werden mĂŒssen und niemand sonst.
Ich habe vergeblich versucht, den Israelis zu erklĂ€ren, dass es ihre Berufung ist, ihrem Volk nach und nach Platz zu machen, durch vorsichtige Einwanderung, subtile oder nachdrĂŒckliche Verhandlungen und die betrĂ€chtliche materielle UnterstĂŒtzung, die sie fast ĂŒberall im Ausland, insbesondere in den USA, haben. Stattdessen werden sie durch diesen âBlitzkriegâ alle Araber gegen sich aufbringen, die sich untereinander jedoch nicht einig sind. Ich habe sie gewarnt, und sie haben darauf beharrt. Die Situation wird ausweglos werden.
Charles de Gaulle zitiert von Philippe de Gaulle aus De Gaulle, mon pĂšre (2004, Seite 322)
Der Ukrainekrieg kann besonders fĂŒr den Wertewesten als menschlich, politisch wie wirtschaftlich verlustreich verloren gelten und sollte von der EU als eindringliche Warnung verstanden werden, weiteren Eskapaden der USA nicht zu folgen. Wer eine groĂe Schlacht im Nahen Osten nicht nur mit dem Iran, sondern auch noch mit dem sich gerade selbst findenden extrem fragilen Syrien, einer immer selbstbewussteren TĂŒrkei, dem Libanon, Ăgypten und Jordanien will, die weder Israel noch die USA dauerhaft beherrschen können, der muss im Prinzip nichts weiter tun. Israel wird weiter siedeln, erobern, zerstören. Seine Bevölkerung und seine Armee werden dadurch aber nicht gröĂer. Eretz Israel fĂŒr alle Juden dieser Welt ist ein hĂŒbsches Nichts mit viel zu groĂer AngriffsflĂ€che. Das kleine Land mit schlagkrĂ€ftiger Armee war ein leidlich funktionierendes Etwas, ein nach Syrien, Jordanien und Ăgypten expandierendes jĂŒdisches Reich wĂ€re aber mit den weltweit 15 Millionen Juden kaum zu fĂŒllen und wĂŒrde zur brĂŒllenden Maus.
All dies geschieht, weil sie auf die Amerikaner und EnglĂ€nder hören, die in dieser Region nur kommerzielle Ziele verfolgen. Wir Franzosen, die wir am Mittelmeer leben und seine Anrainer kennen, wissen, dass die Amerikaner nie etwas von den Arabern verstanden haben, in denen sie nur Feinde Israels sehen. Was die Briten betrifft, so wollten sie die Region schon immer in StĂŒcke schneiden, um sie auf ihre Weise wieder zusammenzufĂŒgen, ohne RĂŒcksicht auf die Völker, die sie besetzen, ihre Rasse, ihre Religion, ihre Traditionen. Ein MaĂ Irak hier, ein StĂŒck Arabien dort, ein StĂŒck Kurdistan, eine Prise PalĂ€stina, eine Prise Transjordanien? Die arabische Welt neu gezeichnet von einem LebensmittelhĂ€ndler!
Charles de Gaulle zitiert von Philippe de Gaulle aus De Gaulle, mon pĂšre (2004, Seite 329)
An gewaltige BodenschĂ€tze in der Ukraine oder florierende Strandhotels in Gasa zu glauben, ist eine ebenso weltfremde Illusion wie der Endsieg Nazideutschlands. Verarmte Bevölkerungen konsumieren und reisen nicht, das sich im Geld suhlende einprozentige Reichtum kann die florierende Armut der Mehrheit nicht kompensieren. GröĂe und Kostenfaktor von Armeen sind Grenzen gesetzt, Betrieb und Bewachung phantastischer GroĂprojekte in feindlichem Umfeld sind populistische Hirngespinste bekannter Kleingeister. Der transatlantische Irrsinn muss enden, es ist genug Blut geflossen, die Leben von unzĂ€hligen Menschen in Nahost und Zentraleuropa sind verloren. Jetzt immer noch an einen durch Waffen zu schaffenden Frieden zu glauben, ist verantwortungslos. Die Leichenberge in PalĂ€stina und der Ukraine sollten Mahnung genug sein.

Wie das Judentum ĂŒber einen fundamentalistisch-nationalreligiösen Neozionismus mitten in Arabien zu sich selbst finden will, hĂ€tte dem Zionismuspionier Leo Pinsker Kopfschmerzen bereitet. Inwiefern die Werte des Westens von ideologisch verblendeten Nazis in der Ukraine verteidigt werden, hĂ€tte Zbigniew BrzeziĆski in ErklĂ€rungsnot gebracht. Dass das von den USA und der EU wirtschaftlich aufgepĂ€ppelte China mit einem zweiten Boxerkrieg konfrontiert werden soll, hĂ€tte Mao Zedong zumindest ĂŒberrascht. Wieso das sich langsam aber sicher selbst auflösende Mullahregime im Iran durch Ă€uĂere Gewalt nach innen verfestigt werden soll, hĂ€tte Mohammad Mossadegh im Grabe rotieren lassen.
Die Juden bilden im SchoĂe der Völker, unter denen sie leben, tatsĂ€chlich ein heterogenes Element, welches von keiner Nation gut vertragen werden kann.
Leo Pinsker 1882 in seinem Werk Autoemanzipation
Der sich im letzten Gefecht aufbĂ€umende Extremismus der Mitte wird intellektuell kaum imstande sein, umzudenken. Die medioker-retrograden 3M der EU werden noch jahrelang Zeit verlieren und sich mit den Folgen US-gefĂŒhrter Kriegsabenteuer wie FlĂŒchtlings- und Haushaltskrisen herumschlagen, anstelle gestaltend in die europĂ€ische Geschichte einzugreifen. Die Ukraine wird das nĂ€chste PalĂ€stina, die EU die nĂ€chsten BRICS, der Sueskanal der nĂ€chste Panamakanal, die britische Insel das nĂ€chste Kanada und Deutschland das nĂ€chste Russland. Wer auf ein totes Pferd setzt, kann nichts gewinnen, auch nicht mit einem toten Reiter. Europa wird weiter nach rechts abdriften und im gleichen Chaos landen, von dem es glaubte, sich losgelöst zu haben. Als Charles de Gaulle am 9. November 1970 starb, blieb sein Werk MĂ©moires dâespoir (Erinnerungen der Hoffnung) unvollendet, das auf MĂ©moires de guerre (Erinnerungen des Krieges) folgen sollte. Als EuropĂ€er sind wir nun gehalten, de Gaulles Erbe anzutreten und die Hoffnung zu vollenden!
David Andel