Der Schneeleopard ist ein Raubtier, das sein dickes graues Fell der evolutionĂ€r bedingten Anpassung an seine Umgebungsbedingungen zu verdanken hat. Ein natĂŒrlicher Ausleseprozess hat somit dazu gefĂŒhrt, dass der pelzige JĂ€ger auch im dicksten Winter nicht in KĂ€ltestarre verfĂ€llt und weiterhin relativ unbesorgt jagen kann.
Ăbertragen auf Mac OS X hieĂe dies, dass sich Snow Leopard (Mac OS X 10.6) noch mehr als Leopard (Mac OS X 10.5) seinen Anwendern angepasst hĂ€tte, ein ĂŒber die Jahre wĂ€hrender Ausleseprozess Apples fĂŒhrte zur Beseitigung der am schwersten wiegenden Fehler und konzeptionellen MĂ€ngel. Leider nicht wirklich, denn Snow Leopard ist lediglich eine optimiertere Form von Leopard, keineswegs jedoch die optimale Reaktion auf sĂ€mtliche KundenwĂŒnsche. Obgleich also diesmal die Flut neuer Ausstattungsmerkmale (neudeutsch âFeaturitisâ) auf ein Minimum reduziert wurde, hat Apple in vielerlei Bereichen sogar noch FĂ€higkeiten entfernt und sich damit ĂŒber die WĂŒnsche mancher Anwender hinweggesetzt. Inoffizielle und fĂŒr den Hersteller zunehmend lĂ€stig gewordene Schnittstellen in manchen populĂ€ren Apple-Anwendungen fielen dabei ebenso unter den Tisch wie die gesamte UnterstĂŒtzung der ehemals gegenĂŒber Intel favorisierten PowerPC-Plattform.
Deutlich wird der dadurch radikale Wechsel unter anderem daran, dass allerlei kleine Helferlein mit dem Erscheinen von Snow Leopard nicht mehr funktionieren, noch Wochen nach dem Marktstart von Snow Leopard können Safari-Anwender daher weder mehr ihre Cookies sinnvoll im Zaum halten noch Mail-Anwender ihre Mitteilungen in PGP verschlĂŒsseln. Alte Zöpfe wurden dabei derart stark gekĂŒrzt, dass manch kostenlose Produkte vom ehemaligen Hersteller gleich ganz eingestellt wurden, beispielsweise GPGMail von Sen:te. Schade dabei ist jedoch, dass Apple es wĂ€hrenddessen nicht fĂŒr nötig hielt, besagte Notwendigkeiten selbst in irgendeiner Form zu integrieren. So verfĂŒgen weder Safari noch Mail bis heute ĂŒber eine offizielle Möglichkeit, deren Funktionsumfang zu erweitern. Apple gibt folglich hoheitlich vor, was fĂŒr den Anwender sinnvoll ist und was nicht, es sitzt aber kein Modulor vor dem Bildschirm.
WĂ€hrend es bei kleinen Programmierern noch nachvollziehbar ist, dass diese keine zahlenden Apple-Entwickler sind und daher auch keinen rechtzeitigen Zugang auf Vorversionen und absehbare Ănderungen von Mac OS X haben, ĂŒberrascht die Ăberraschung seitens vieler kommerziell agierender Unternehmen. Selbst Hersteller von Produkten wie Acrobat, Cepstral Voices, EyeTV und SilverFast wurden unter Snow Leopard mit InkompatibilitĂ€ten konfrontiert, obgleich diese Zugang zu sĂ€mtlichen erforderlichen Materialien zur Abwendung solcher Probleme haben sollten. Manche kommerziellen Produkte wie etwa iUSBCam von ecamm wurden vollstĂ€ndig eingestellt, von manch anderen dĂŒrfte die Zukunft zurzeit noch unsicher sein, denkt man beispielsweise an PGP. Und auch Apple hat sich mit den mitgelieferten Druckertreibern ein Bein gestellt, denn etliche Drucker wesentlicher Hersteller wurden gar nicht erst erkannt.
Wenn Cupertino es also noch immer nicht vergessen hat, dass es anders denkende Anwender mit individuellen AnsprĂŒchen gibt, dann sollte das auch dazu fĂŒhren, dass sich das Betriebssystem so offen wie nötig gibt, vor allem bei dessen Anpassung an den Menschen. Safari ist einer der besten und Ă€sthetisch anspruchsvollsten WWW-Browser, daher mĂŒssen auch Möglichkeiten bestehen, per Plug-In lĂ€rmende Werbewelten oder Cookie-Fluten in den Zaum zu kriegen. Gleichzeitig bringt es niemandem etwas, wenn Produkte vorschnell und unfertig vermarktet werden, denn Nutzer von beispielsweise EyeTV können nicht mal so nebenbei auf eine Alternative ausweichen. Uns allen wĂ€re ein sanfter Ăbergang daher wesentlich angenehmer gewesen als vom Schneeleoparden kalt erwischt worden zu sein.
David Andel