Ein buntes Fahnenmeer wogte ĂŒber den StraĂen. FarbenprĂ€chtige Wasserkaskaden schossen aus dem Springbrunnen am »Midan al-Tahrir«, dem Freiheitsplatz im Stadtzentrum, und mitten aus dem Nil empor. Die HĂ€user waren mit phantastischen Lichterketten geschmĂŒckt. Alles zu Ehren von dreizehn Königen und StaatsoberhĂ€uptern, die sich fĂŒnf Tage lang zur ersten »Arabischen Gipfelkonferenz« seit rund drei JahrfĂŒnften eingefunden hatten.
Wer von ihr neue Impulse fĂŒr die arabische Einigung erhoffte, sieht sich leider, wer dramatische MaĂnahmen gegen Israel befĂŒrchtete, gottseidank getĂ€uscht. Am treffendsten faĂte, bemerkenswert selbstkritisch, der Intimus von Nasser und der Chefredakteur von »Al Ahram«, Mohammed Hassanan Heykal, das Konferenzergebnis zusammen: Die Tatsache, daĂ die StaatsoberhĂ€upter, was Israel angehe, zu allem bereit seien, hieĂe, daĂ sie sich zu nichts bereit fĂ€nden, schrieb er.
Die Beratungen im Palast der Arabischen Liga und im luxuriösen Nile-Hilton-Hotel, aus dem einige hundert Touristen hinauskomplimentiert wurden, fanden hinter verschlossenen TĂŒren statt.
Um Israel entgegenzutreten, dessen Generalstabschef sich vergangene Woche erhob und sagte âGegen den Willen der Araber werden wir das Wasser umleiten und die Araber können tun, was sie wollenâ, muĂ ein Treffen arabischer Könige und StaatsoberhĂ€upter alsbald möglich stattfinden, ungeachtet aller Konflikte und Meinungsverschiedenheiten untereinander. Wir sind bereit, diejenigen zu treffen, mit denen wir uneins sind. PalĂ€stina zuliebe werden wir mit jenen zusammensitzen, mit denen wir uns im Streit befinden.
KonferenzankĂŒndigung Gamal Abd el Nassers am 23. Dezember 1963 auf eine Bemerkung des israelischen Generalstabschefs Tzvi Tzur zu den Jordan-AbleitungsplĂ€nen
Bemerkenswertestes Ergebnis ist wahrscheinlich die Wiederaufnahme der seit dem Abfall Syriens von der »Vereinigten Arabischen Republik« gestörten Beziehungen zwischen Ăgypten und Jordanien, die in separaten GesprĂ€chen vereinbart wurde. Sie dĂŒrfte die »antifeudalistische« Ă€gyptische Propaganda zeitweilig unterbinden und es Jordanien ermöglichen, innerpolitische Probleme relativ ungestört zu ordnen. Auch die Wiederaufnahme der Beziehungen zwischen Kairo und Rabat wurde erörtert. Sie sind unterbrochen, seit sich Abd el Nasser zugunsten Algeriens in den nordafrikanischen Grenzstreit einmischte. König Hassan II. lieĂ allerdings seinen guten Willen zunĂ€chst dabei bewenden, daĂ er fĂŒnf gefangene Ă€gyptische Offiziere freilieĂ und noch wĂ€hrend der Konferenztage nach Kairo zurĂŒckschickte. Nun liegt es an dem Ă€gyptischen PrĂ€sidenten, seinen Versöhnungswillen zu beweisen.
Ein neuer Botschafteraustausch zwischen Ăgypten und Saudisch-Arabien ist nach wie vor fraglich. Zwar brachten die GesprĂ€che zwischen König Saud I. und dem Ă€gyptischen PrĂ€sidenten eine gewisse AnnĂ€herung der Standpunkte zuwege. Der König, der bislang den vertriebenen jemenitischen Imam mit Geld und Waffen unterstĂŒtzte, schĂŒttelte in Kairo auch dem PrĂ€sidenten der Republik von Sanaa die Hand. Seine Bereitschaft, sich mit der Revolution in dem kleinen Nachbarland abzufinden, kĂ€me der wachsenden Ă€gyptischen KriegsmĂŒdigkeit entgegen. Inwieweit die Wechsel, zu denen er sich nötigen lieĂ, von seiner Regierung auch akzeptiert werden, ist aber keineswegs vorhersehbar.
Zwischen Saud und Kronprinz Faisal gibt es weitgehende Meinungsverschiedenheiten, und es ist unsicher, ob der König noch jemals gröĂeren EinfluĂ auf die von seinem Bruder ausgeĂŒbte Macht gewinnt. Eine Ăbereinkunft ĂŒber das Schicksal des Jemens, bei der ohnehin nicht mehr herauskommen kann als eine faktische Teilung, hĂ€ngt also davon ab, ob Faisal willens ist, sich mit der Anwesenheit des revolutionĂ€ren Nasserismus auf der arabischen Halbinsel endgĂŒltig abzufinden.
Die Israel-Frage, die die Gipfelkonferenz erzwungen hatte, trat in ihrem Verlauf ganz in den Hintergrund. Es wurde zwar beschlossen, ein gemeinsames Oberkommando zu bilden, das der Ă€gyptische Generalstabschef Aly Aly Amer leiten soll, aber militĂ€rische MaĂnahmen wurden lediglich als »letzte Möglichkeit« erwogen. Das entspricht den Ă€gyptischen Absichten. Denn wie man Abd el Nasser auch beurteilen mag, gegenĂŒber Israel ist er der gemĂ€Ăigste arabische Staatschef. FĂŒr ihn ist die Existenz dieses Staates nur der Katalysator seines panarabischen Einheitsstrebens. Er weiĂ, daĂ in einer kriegerischen Auseinandersetzung, deren Ausgang offen ist, Ăgypten die Hauptlast zu tragen hĂ€tte. Nach dem jemenitischen AderlaĂ ist seine Armee fĂŒr ein solches Abenteuer nicht gerĂŒstet. Die Ăgypter neigen ohnehin dazu, sich gegenĂŒber Israel weniger zu engagieren als andere Araber.
Wirklicher Schaden droht dem jĂŒdischen Staat denn auch von einer anderen Seite. Die von jeher kriegerischste Sprache fĂŒhrt das innerpolitisch so labile Syrien. Die Gefahr, daĂ eigene Schwierigkeiten die Syrer zu einem militĂ€rischen Abenteuer zwingen, ist viel gröĂer als die einer offenen Ă€gyptischen Aggression. Der syrische General Hafez sah sich indessen in Kairo einer geschlossenen Phalanx der Staatschefs gegenĂŒber, die ihm klarmachte, daĂ Syrien im Fall eines militĂ€rischen Alleingangs in PalĂ€stina auch allein bliebe. WĂ€hrend sich die StaatsoberhĂ€upter auch auĂerhalb der offiziellen Sitzungen einzeln oder gemeinsam zu privaten GesprĂ€chen in ihrem Quartier trafen, blieb Hafez auffĂ€llig isoliert.
Wie uneinig sich die Araber sind, sobald es um PalĂ€stina geht, zeigte auch das Hin und Her um die Zulassung der palĂ€stinensischen Delegation, um deren Anliegen es doch schlieĂlich ging. Jordanien protestierte sofort gegen die Anwesenheit des ehemaligen Jerusalemer Rechtsanwaltes Schukeiri, der von einer eigenen Befreiungsarmee trĂ€umt. König Hussein fĂŒrchtet offenbar nichts mehr, als daĂ er seinen Anteil an der palĂ€stinensischen Beute wieder herausgeben muĂ.
Die von Israel beabsichtigte Jordanableitung hofft man nunmehr durch komplizierte Umleitungs- und Dammbauprojekte auf syrischer und jordanischer Seite unwirksam machen zu können. FĂŒr diesen Zweck sollen ĂŒber sechs Millionen englische Pfund bereitgestellt werden. Diese PlĂ€ne lassen sich jedoch kaum noch bis zum kommenden FrĂŒhjahr verwirklichen. AuĂerdem steht keineswegs fest, ob durch sie nicht auch die arabischen NachbarlĂ€nder wirtschaftlich benachteiligt werden.
Die Gipfelkonferenz brachte die GewiĂheit, daĂ kriegerische Verwicklungen im Mittleren Osten in absehbarer Zeit kaum zu erwarten sind. Wenn auch die am ersten Konferenztag bekanntgewordene und von der Ă€gyptischen Presse beharrlich verschwiegene demonstrative Einladung des israelitischen MinisterprĂ€sidenten Eschkol nach Washington entschieden klarstellte, daĂ die GroĂmĂ€chte die Vernichtung Israels nicht zuzulassen gesonnen sind, spricht dieses Ergebnis fĂŒr die arabische Einsicht.
Dem BeschluĂ, im August 1964 eine weitere Gipfelkonferenz abzuhalten, ging ein lĂ€ngeres Tauziehen voraus. Der Vorschlag kam von Marokko, wĂ€hrend Ăgypten es lieber gesehen hĂ€tte, wenn die Arabische Liga kĂŒnftig wieder stĂ€rker in die innerarabischen Probleme eingeschaltet worden wĂ€re. Diese Haltung zeigt ziemlich klar, wie sehr die Ă€gyptische Politik von undurchschaubaren kurzfristigen Kursschwankungen beherrscht wird. SchlieĂlich war es gerade Abd el Nasser, der die Liga seit rund eineinhalb Jahren öfter als ungeeignetes und ĂŒberlebtes Instrument arabischer Einigung anfeindete und sie sogar zeitweilig boykottierte.
Es gab in Kairo zwei Sieger: Israel, das Zeit gewonnen hat, und Abd el Nasser, dessen panarabischer FĂŒhrernimbus â wenigstens innerpolitisch â verbessert wurde. Sofern er sich kĂŒnftig damit zufrieden gibt, daĂ die arabischen Herrscher zwischen Atlantik und Persischem Golf zwar seine FĂŒhrerrolle anerkennen, sich aber nicht seinem Hegemonieanspruch unterwerfen, ist der Ausgang der Konferenz fĂŒr ihn ein Erfolg.
Horst J. Andel
In seiner ersten Sitzung, die einem Appell des PrĂ€sidenten der Vereinigten Arabischen Republik, Gamal Abd el Nassers, folgend, vom 13. bis 16. Januar 1964 am Sitz der Arabischen Liga in Kairo stattfand, hat der Rat der Könige und Staatschefs der Arabischen Liga die Drohungen und wiederholten Aggressionen Israels geprĂŒft, seit es das arabische Volk aus PalĂ€stina vertrieb, sich in dessen Land niederlieĂ und eine Rassentrennung gegen die arabische Minderheit betreibt. Die Delegationen haben auch die Folgen der israelischen Politik geprĂŒft, die sich auf Aggressionen und vollendete Tatsachen sowie die Nichtbeachtung der Resolutionen der Vereinten Nationen stĂŒtzt, die die Rechte des palĂ€stinensischen Volkes auf RĂŒckkehr in seine Heimat bestĂ€tigen, wobei Israel die zahlreichen Verurteilungen durch UN-Organisationen ignoriert.Nachdem er die neue, schwerwiegende Aggression geprĂŒft hat, die Israel gegen arabische GewĂ€sser unternehmen will, indem es das Wasser des Jordans zur Verwirklichung zionistischer Expansionsziele umleitet, um seine AggressionskrĂ€fte verstĂ€rken und neue StĂŒtzpunkte errichten zu können, die die Sicherheit und den Fortschritt der arabischen Staaten sowie den Weltfrieden bedrohen werden, in Ăbereinstimmung mit dem Recht auf Selbstverteidigung und ĂŒberzeugt vom gerechten Anspruch des palĂ€stinensischen Volkes auf Selbstbestimmung und Befreiung vom Druck des zionistischen Imperialismus sowie der arabischen SolidaritĂ€t als einziges Mittel zur Abwehr der imperialistischen Absichten, zur Verwirklichung der gemeinsamen, rechtmĂ€Ăigen arabischen Interessen und zur Besserung der Lebenshaltung der arabischen Nation sowie zur AusfĂŒhrung der Wiederaufbau- und Entwicklungsprogramme, hat der Rat die Resolution ĂŒber die praktischen MaĂnahmen zur Abwehr der gegenwĂ€rtigen zionistischen Drohung im Bereich der Verteidigung und Technik sowie der Organisation des palĂ€stinensischen Volkes zur Teilnahme an der Befreiung seiner Heimat und an der Bestimmung seiner Zukunft angenommen.
AbschluĂerklĂ€rung der Gipfelkonferenz vom 16. Januar 1964