Die Amerikanisierung europÀischer Politik funktioniert auf lange Sicht nicht. Wenn linke Positionen zugunsten politischer Posten verraten werden und konservative KrÀfte nach jahrelanger UntÀtigkeit immer wieder am rechten Rand fischen, dann wird nur eine Kraft davon profitieren: die extreme Rechte.
In Flandern haben sich die von dortigen nationalistischen KrĂ€ften gepflegten Jahrzehnte des Hasses und des Neides auf den frankophonen SĂŒden des Landes schlieĂlich ausgezahlt: 1.167.061 Belgier haben fĂŒr die rechtsextreme (sie sieht sich selbst als rechtskonservative) Partei N-VA gestimmt und 961.601 Belgier fĂŒr die rechtsradikale (sie sieht sich selbst als vaterlandsliebende) Partei Vlaams Belang. Schwer verstĂ€ndlich allerdings, weshalb die beiden gröĂten BrĂŒllaffen des flĂ€mischen Separatismus wider Erwarten nicht sofort zusammen ins Bett hĂŒpften und das Kind der UnabhĂ€ngigkeit Flanderns warfen, sondern ganz im Gegenteil so taten, als wĂ€ren sie einander nicht vorgestellt worden. Schnell stellte sich heraus, dass jener nordbelgische Wahn nur eine von vielen ArbeitsbeschaffungsmaĂnahmen fĂŒr Politiker war.
Auch im spĂ€testens seit Sarkozy zur Lachnummer entstellten Frankreich kam es zu einem völlig anderen Resultat, als sich die PrĂ€sident gewordene SchimĂ€re erhofft hatte. Emmanuel Macron, der das Selbstbild der einzigen Stimme der Vernunft pflegt, hielt sich fĂŒr derart unwiderstehlich, dass er glaubte, eine spontan angezettelte Wahl machten ihn und seine Partei unumgĂ€nglich. Stattdessen aber ist das Land fortan so zerrissen wie eine Gesellschaft wird, wenn Politsimulanten einer vorgeblichen Mitte den Kontakt zum Volk leugnen und nur noch auf Vertreter realitĂ€tsfremder Interessen hören. Die Bevölkerungen Europas bestehen jedoch nicht aus Investoren, Kanonenfutter oder Fertigungsrobotern, sondern aus Menschen. Diese Menschen, so wirkt es, stören den heutigen Politbetrieb ĂŒber alle MaĂe.
Gehabeckt, verbaerbockt, ausgemerzt!
GĂ€be es in unseren Demokratien Parteien, die etwas grundlegend in unserer Gesellschaft Ă€ndern, wĂŒrden sie vermutlich untersagt. Zu sehr ist das gesellschaftliche und politische System festgefahren, zu sehr gelten die Harmoniefiktionen Arbeit, Familie und Nation (Vater-, Mutter- oder âVater-innen-landâ?) als absolute Werte und zu klein sind die Unterschiede der politischen Lager in demokratisch titulierten Nationen. Daran Ă€nderte auch der Sieg einer rechtsnationalen wie wirtschaftsliberalen Partei wie der AfD nichts. Es wĂ€re lediglich ein weiterer Rechtsruck von vielen seit den frĂŒhen Achtzigern.
In Deutschland gibt es eine Anlaufstelle der EnttĂ€uschung, die alles ĂŒber das dortige politische System sagt. Unter âSonntagsfrage Bundestagswahlâ wird fortwĂ€hrend aktualisiert, was kleinere oder gröĂere Umfragen der zahlreichen Meinungsforschungsinstitute in Erfahrung bringen. Jeder BĂŒrger, der wissen will, was ungefĂ€hr passieren wĂŒrde, wĂ€ren schon jetzt und nicht erst 2025 Bundestagswahlen, kann dort seine eigenen Regierungsberechnungen anstellen. Die Beliebtheit der gegenwĂ€rtigen bundesdeutschen Koalition ist wenig ĂŒberraschend gering und die jetzige Konstellation hĂ€tte keine Chance mehr, wiedergewĂ€hlt zu werden. Wie sieht es also mit Alternativen aus?
Gesetzt den Fall, Linke und FDP scheiterten an der FĂŒnf-Prozent-Klausel, verblieben die Parteien AfD, CDU/CSU, GRĂNE, SPD und die Personality Show BSW. Aus der Vergangenheit kennen wir mehrere so genannte âgroĂe Koalitionenâ, bestehend aus CDU/CSU und SPD. Das war kein berauschendes Erlebnis und könnte auch gar nicht mehr stattfinden, da die dafĂŒr erforderlichen Prozentpunkte nicht mehr zur VerfĂŒgung stehen. Eine groĂe Koalition mĂŒsste sich derzeit also zumindest aus CDU/CSU, SPD sowie GRĂNE zusammensetzen und stĂŒnde folgerichtig fĂŒr wenig VerĂ€nderung.
Nichts in der Merz-CDU ist progressiv, der transatlantische Mief stinkt durch den Ex-Blackrockmanager weiter zum Himmel und die zur Rumpfpartei degenerierte SPD bliebe Schatten ihrer selbst â Hartz IV forever. Eine Postenkoalition alten Kalibers ohne Mumm und Verstand: weiter so, Deutschland!
Sollten sich CDU/CSU jedoch an ihre stockkonservativen Wurzeln der Nachkriegszeit erinnern, wĂ€re auch eine Koalition mit der AfD denkbar, was den 20 Prozent âProtestwĂ€hlernâ kaum gefiele, da das dauerregierende CDU/CSU-Tandem den Ton angĂ€be und national-feuchte TrĂ€ume der AfD schnell ausgetrĂ€umt wĂ€ren. Die âProtestparteiâ verlöre weit schneller an Boden, als sie ihn einst gewann. Alle anderen Koalitionen scheinen momentan ausgeschlossen zu sein und lediglich eine doch nicht Klausel-entmannte FDP könnte ĂŒblich nervtötende Klientelkorrekturen am schmerzvollen Endstadium vornehmen.
Alles in allem ein dĂŒsteres Bild und kaum anders als in anderen Staaten des Wertewestens, wobei der Leithammel USA mit seinem bizarren Parteienduopol unverĂ€ndert den Vogel abschieĂt. Wer in den USA noch wĂ€hlt und auf VerĂ€nderung hofft, muss schon sehr blauĂ€ugig sein. Dort stehen regelmĂ€Ăig zwei RechtsauĂen-Kandidaten zur Wahl, die um sich herum die immer gleichen Gestalten versammeln. Kandidaten wohlgemerkt, die zuweilen steinalt sind â nicht dass Jugend irgendein QualitĂ€tsmerkmal wĂ€re. Die bittere Pille ist das Fehlen jedweder VerĂ€nderung.
Ăhnlich ergeben sich in Frankreich Situationen, in denen nur noch gewĂ€hlt wird, um einen bestimmten Kandidaten zu verhindern. Was dies aber ĂŒber den âanderenâ Kandidaten aussagt, zuletzt Emmanuel Macron, ist nicht gerade ĂŒberzeugend. Der kleinste gemeinsame Nenner siegt, einer folglich, der vorgibt, es allen recht machen zu wollen, den prinzipiell aber keiner leiden kann.
Wie viele Premierminister gab es in GroĂbritannien in den letzten zehn Jahren? Richtig, es waren sechs StĂŒck â fĂŒnf davon aus der gleichen Partei â wenn das mal nicht ein Zeichen demokratischer StabilitĂ€t ist! Da kommen Erinnerungen an die Weimarer Republik auf ⊠Nun gut, fast hĂ€tte es mal passieren können, fast hĂ€tte es Exot Jeremy Corbyn in dieses Amt geschafft, aber eben nur fast. Ein solches Risiko mochte die von Blair geglĂ€ttete Labour-Partei nie wieder eingehen und fand schnurstracks zu jenem Zustand zurĂŒck, den auch die SPD unter Schröder bevorzugte: eine billige Kopie der Rechten zu sein. Auf ins Schlachtfeld gen Russland!
In Demokratien werden Freiheit und Gleichheit versprochen, in Wirklichkeit aber herrschen ZwĂ€nge zur Ein- und Unterordnung vor. Nur wer sich der Gesellschaft unterwirft, kommt voran, woran auch kosmetische Korrekturen gemÀà der nach oben offenen DiversitĂ€tsskala nichts Ă€ndern. Können Wahlen etwas bewegen oder ist wie gehabt jede Wahl nur eine Qual? Ist das Fazit, dass der Unterschied zwischen Diktatur und Demokratie ist, dass man im ersten System nicht wirklich wĂ€hlt, sondern nur bestĂ€tigt und im zweiten System zwar richtig wĂ€hlt, dennoch aber die staatstragende Mitte zu bestĂ€tigen hat? NatĂŒrlich nicht, denn in Demokratien sind wir frei, können mit etwas Geld reisen, mit noch mehr Geld alles kaufen und auch ganz arm und ganz im Stillen zumindest unsere Meinung Ă€uĂern â sofern wir noch eine haben!
David Andel