Flimmerkiste

Wen interessiert schon, was lÀuft?

Kaum etwas ist so komfortabel wie die Kombination aus EyeTV und elektronischem ProgrammfĂŒhrer. Suchbegriffe lassen sich automatisieren und Wunschsendungen mit Wunschdarstellern oder von Wunschregisseuren erscheinen automatisch in der Liste oder werden automatisch aufgezeichnet. Die Mehrzahl der TV-Sender jedoch scheint das nicht zu interessieren.

Fernsehen in Westdeutschland war vor 30 Jahren ganz einfach. Nur wer in einem Grenzgebiet wohnte, empfing mehr als die ĂŒblichen drei oder vier öffentlich-rechtlichen Sender. Die TV-Programmzeitschriften reichten fĂŒr die Beschreibung der Inhalte jener paar KanĂ€le mehr als genug aus, um die Sendungsinformationen herum fanden sich daher allerlei programmfremde Informationen, vom Kochrezept ĂŒber die Humorseite bis zum KreuzwortrĂ€tsel – die Welt war einfach. Schon wenige Jahre spĂ€ter gesellten sich aus politischen GrĂŒnden zugelassene private Sender hinzu und verkomplizierten die Situation, aber auch wer in der NĂ€he zu einem Nachbarland wohnte, der dortigen Sprache mĂ€chtig war und im Falle Frankreichs ĂŒber ein mehrnormentaugliches FernsehgerĂ€t verfĂŒgte, Ă€rgerte sich oft darĂŒber, niemals genau in Erfahrung bringen zu können, was in jenen Sendern alles lief. Auch darauf reagierten viele der Magazine mit dem Abdruck entsprechender Inhalte, was zwar nicht immer mit der gleichen InformationsfĂŒlle erfolgte, fĂŒr eine grobe Übersicht aber immer noch ausreichte.

NatĂŒrlich gab es damals schon experimentierfreudigere Menschen, die per analogem Satellitenempfang ihren TV-Horizont erweiterten. Das war aber vergleichsweise selten, zumal Betreiber von Parabolspiegeln auf einem Balkon noch etliche juristische Fallstricke zu ĂŒberwinden hatten. Der radikale Schnitt erfolgte erst mit der Digitalisierung. Aus den per Antenne oder Kabel verfĂŒgbaren zehn bis dreißig analogen Programmen wurden dreißig DVB-T-Programme, theoretisch etliche hundert DVB-C-Programme im Kabelnetz und beim digitalen Satellitenempfang mehrerer Positionen gar Tausende, ĂŒber die HĂ€lfte davon jedoch verschlĂŒsselt. Hier scheiterten schließlich die traditionellen Programmzeitschriften und mussten sich endgĂŒltig geschlagen geben. Nach und nach entwickelten sich neue papierlose AnsĂ€tze, die heute allesamt unter dem Begriff EPG (Electronic Program Guide) fungieren, dem elektronischen ProgrammfĂŒhrer.

Der Sony-Programmdienst tvtv existiert in vielen LĂ€ndern, in keinem aber ist er wirklich vollstĂ€ndig. Offenkundig hat jedes europĂ€ische Land eine ganz eigene Auffassung ĂŒber den Wert seiner Programmdaten, was zu zahlreichen juristischen und kommerziellen Problemen bei der Weitergabe dieser Daten fĂŒhrt. Dabei dĂŒrfte dem Zuschauer nicht klar sein, weshalb er ohne die Zahlung zusĂ€tzlicher BetrĂ€ge nicht wissen soll, was in den Sendern lĂ€uft, die letztlich von ihrer Zuschauerakzeptanz abhĂ€ngen. Deutsche Privatsender sehen schon die bloße Beschreibung dessen, was spĂ€ter ausgestrahlt wird, als mit „hohem Aufwand“ erstellte Inhalte und kamen damit vor Gericht sogar durch. Eine Klage des Verbandes der Zeitschriftenverleger (VDZ) gegen VG Media wurde im November letzten Jahres endgĂŒltig abgewiesen und eine Revision nicht zugelassen. Zu den von der VG Media vertretenen Sendeunternehmen zĂ€hlen unter anderem die Fernsehsender RTL, ProSieben, Sat.1, N24, TELE 5, SPORT1, VIVA, CNBC Europe und die Radiosender ANTENNE BAYERN, Klassik Radio, RTL RADIO, HIT RADIO FFH und radio ffn.

In Großbritannien herrschen im Vergleich dazu traumhafte ZustĂ€nde. Niemand kam bislang dort auf die Idee, die Beschreibung der Inhalte vorm Publikum verheimlichen zu wollen und fĂŒr die Weitergabe dann auch noch Geld zu verlangen. Nicht nur ist dort eine große Zahl attraktiver privater wie öffentlich-rechtlicher Programme unter den Namen Freeview(DVB-T) und Freesat (DVB-S) frei zu empfangen, es wurde ebenso an die Integration eines passenden EPG gedacht, Freeview/Freesat ĂŒbertrĂ€gt seinen eigenen einwöchigen ProgrammfĂŒhrer, der dank der privaten Initiative einer Entwicklerin seit einem Jahr auch von EyeTV verwendet werden kann. Und wem das immer noch nicht reicht, der kann sich als Privatperson kostenlos bei der BBC-eigenen Programmzeitschrift Radio Times bedienen, die interessierten Anwendern einen entsprechenden XMLTV-Zugang bietet, ein mit EyeTV oder The Tube kompatibles EPG-Datenformat.

Die im deutschsprachigen Raum marktdominanten öffentlich-rechtlichen Sender scheint ein Ă€hnlicher Dienst jedoch nicht zu interessieren, schließlich kommt der Zuschauer auch so irgendwie zurecht und ist zur privaten Recherche aufgefordert. Man wĂŒrde zwar gern den Begriff der Grundversorgung allumfassend interpretieren und jedem privaten Rundfunk- und Print-Medium Konkurrenz machen, hĂ€lt die Schaffung einer von AufzeichnungsgerĂ€ten nutzbaren EPG-Internetplattform aber wohl fĂŒr zu anstrengend, obgleich gerade dies erlaubte programmbegleitende Inhalte wĂ€ren. Dabei wĂ€re das Angebot eines öffentlich-rechtlichen XMLTV-Feeds der Traum jedes EPG-suchenden Zuschauers und könnte schnell eine Vorbildfunktion auch fĂŒr private Sender entwickeln. WĂ€ren in diesen Sendungsinformationen auch noch die Inhalte der unzĂ€hligen Radiosender enthalten, könnte wirklich von einem Dienst am Zuschauer und damit auch einer sinnvollen Grundversorgung die Rede sein. Denn ohne EPG weiß heute einfach niemand mehr, was lĂ€uft. Keine allzu verstĂ€ndliche Strategie in einer Zeit, in der die Einschaltquoten das einzig selig machende Hauptkriterium der Programmverantwortlichen sind.

David Andel