Tim Cook

Jobs-Nachfolge, Teil 1: Der gnadenlose Langweiler

AAPL-KleinaktionĂ€re geben sich gern dem Wunschdenken hin, dass die Ab- oder Anwesenheit von Steve Jobs keine Rolle spielt und Apple lĂ€ngst ein SelbstlĂ€ufer ist. Schon ein Blick auf jene Personen, die immer wieder als Jobs-Nachfolger gehandelt werden, reicht allerdings, um mit Skepsis zu reagieren. Teil 1 einer kleinen Reihe ĂŒber die AnwĂ€rter auf die Jobs-Nachfolge widmet sich Tim Cook, einer seltsamen Mischung aus Buchhalter, Mönch und Henker.

Wenn die fĂŒr Silicon Valley zustĂ€ndige Gawker-Klatsch- und Tratschseite Valleywag den operativen GeschĂ€ftsfĂŒhrer von Apple Tim Cook als den „mĂ€chtigsten Schwulen von Silicon Valley“ bezeichnet, dann tĂ€uscht das vor allem ĂŒber seine nicht vorhandenen QualitĂ€ten hinweg. Cook ist bei Ă¶ffentlichen Auftritten langweilig und unsicher, hat eine ebenso zittrige wie quĂ€kend-einschlĂ€fernde Stimme und scheint damit alles in allem so ziemlich genau das Gegenteil von Steve Jobs sein. Apples COO (Chief Operating Officer) unterhĂ€lt sein Publikum nicht, macht beim Sprechen zu lange Pausen, betont falsch und wirkt auf Dauer gequĂ€lt. Nach außen scheint der Mann eine PR-Katastrophe zu sein, den sich niemand lĂ€ngere Zeit an die Spitze Apples wĂŒnschen sollte und dem man das Halten von Keynotes daher auch meist erspart. Wer ist also dieser Mann, dem momentan die undankbare Rolle zugewiesen wurde, den schillerndsten Unternehmer von Silicon Valley zu vertreten?

Der FĂŒnfzigjĂ€hrige Cook gilt als arbeitsbesessener Sonderling. Der Sohn eines Werftarbeiters wuchs in Robertsdale (Alabama) auf, gehörte zu den besten SchĂŒlern seiner Grundschulklasse und schloss 1982 ein Studium im Bereich Industrial Engineering an der UniversitĂ€t von Auburn (Alabama) ab, worauf ein Management-Studium MBA (Master of Business Administration) an der Fuqua School of Business der Duke-UniversitĂ€t in Durham (North Carolina) folgte. Bevor er 1998 seine TĂ€tigkeit als operativer Vizechef fĂŒr den Sektor Herstellung bei Apple antrat, war Cook kurz beim PC-HĂ€ndler Intelligent Electronics, zwölf Jahre im Bereich PC-Logistik bei IBM und sechs Monate als Vizechef fĂŒr Unternehmensmaterialien bei Compaq tĂ€tig. Cook hĂ€lt AAPL-Anteile im Wert von ĂŒber 136 Millionen US-Dollar, wohnt aber dennoch zur Miete.

Laut Aussage eines Apple-Mitarbeiters, der beim VorstellungsgesprĂ€ch Cooks anwesend war, soll Steve Jobs vor allem der Stoizismus von Cook beeindruckt haben, wĂ€hrend es bei einem Ex-Kollegen Cooks von Compaq nur ganze fĂŒnf Minuten gedauert habe, bis Jobs die Flucht ergriff. Cook hat sich schnell bewĂ€hrt und ist mittlerweile fĂŒr seine umfassenden Rationalisierungs- und Überwachungsmaßnahmen von Herstellungs- und Logistikprozessen bekannt. So ordnete er die verschiedenen Produktionsbereiche konkreten Personalien zu, schloss ineffiziente Vertriebszentren, wechselte zu teure Anbieter und sorgte fĂŒr die systematische Reduzierung der LagerbestĂ€nde von durchschnittlich 31 auf sechs Tage. Auch gilt er als treibende Kraft fĂŒr geschickte MaterialeinkĂ€ufe wie den Ende 2005 abgeschlossenen FĂŒnfjahresvertrag ĂŒber den Erwerb von Flash-Speicher in Höhe von 1,25 Milliarden US-Dollar, der Apple zu hoher FlexibilitĂ€t und Effizienz verhalf. Die mit den internationalen Mobilfunkanbietern geschlossenen iPhone-VertriebsvertrĂ€ge gehen ebenso auf sein Konto.

Da Cook ĂŒber sĂ€mtliche Details auf dem Laufenden ist, findet er auch schnell den Schwachpunkt fĂŒr ein Problem und konfrontiert den zuvor mit der konkreten Aufgabe betrauten Verantwortlichen auf ruhige und niemals ausfallende Weise mit prĂ€zisen aber letztlich nicht zu beantwortenden Fragen – eine stille Hinrichtung. Cooks tĂ€glicher Arbeitsablauf hat mit einem angenehmen Leben rein gar nichts zu tun: E-Mails verschickt er schon vor Morgengrauen, seine GesprĂ€chspartner sollen in spĂ€teren Meetings ausreichend vorbereitet sein. Er ist regelmĂ€ĂŸig der erste Mitarbeiter, der das FirmengebĂ€ude betritt und der letzte, der es verlĂ€sst. Energieriegel sind der Treibstoff fĂŒr diese unmenschliche Tour de Force, er isst sie zu jeder Gelegenheit. Um fĂŒnf Uhr frĂŒh radelt der sozial eher desinteressierte Lance-Armstrong-Fan außerdem zum morgendlichen Fitnesstraining. Wie Steve Jobs verehrt auch Cook den SĂ€nger Bob Dylan, neben dessen Bild schmĂŒckt noch ein Portrait von Robert Kennedy das BĂŒro des Apple-COO.

Es ist bei einem solchen Charakter wenig ĂŒberraschend, dass der Business Insider Cook als den Steve Ballmer Apples bezeichnet. Beide haben keinen IT-orientierten Studienhintergrund, beide sind besessen von Verkaufszahlen und Gewinnmargen, beide sind fĂŒr ihr gnadenloses Vorgehen bei mangelnder Effizienz bekannt und beide gelten als besonders farblos – allerdings schreit und tanzt Cook (noch) nicht auf der BĂŒhne herum. WĂŒrde Cook alleiniger und dauerhafter Jobs-Nachfolger, dann drohte zwar kein Ende der Spaßkultur, denn allzu spaßig geht es bei Apple schon lange nicht mehr zu, es könnte vielmehr der kreative Todesstoß sein.

David Andel