Aktenkoffermann

Blind in die Zukunft

Die Erfolgsgeschichte des programmierbaren Taschenrechners HP-41C von Hewlett-Packard liegt ĂŒber 30 Jahre zurĂŒck. Der HP-41C und seine unmittelbaren Nachfolger HP-41CV und HP-41CX erlebte damals fĂŒr einen Taschenrechner eine einzigartige BlĂŒtezeit. Erstmalig schien mit ihm das GefĂŒhl aufzukommen, einen echten kleinen Computer mit sich herumzutragen, denn selbst mit den im gleichen Design erhĂ€ltlichen Zubehörteilen wie etwa einem Drucker in TaschenbuchgrĂ¶ĂŸe oder einem aufsteckbaren Magnetkartenleser fand alles auf kleinstem Raum Platz, meistens im damals ebenfalls sehr populĂ€ren Aktenkoffer.

Der HP-41 kostete zur EinfĂŒhrung keine 400 Euro und war somit auch fĂŒr begeisterte Amateure noch erschwinglich. Dazu muss allerdings erklĂ€rt werden, dass es sich um weit mehr als nur einen gewöhnlichen programmierbaren Taschenrechner handelte. Der HP-41C konnte nĂ€mlich dank alphanumerischer Anzeige in Klartext mit seinem Besitzer kommunizieren und brachte die Möglichkeit mit, bis zu vier Steckmodule in seine oberhalb des Displays angeordneten ErweiterungsschĂ€chte unterzubringen. Das konnten nĂŒtzliche kleine Helferlein wie das „Time Module“ sein, die den Taschenrechner zur Stoppuhr oder zum Wecker werden ließen, es konnten aber auch hochspezialisierte Module mit auf bestimmte Bereiche zugeschnittenen Funktionen oder einfache Speichererweiterungen sein.

Der HP-41C war nicht nur programmierbar, er war auch das erste tragbare System mit einem internationalen App Store, der sich seinerzeit in Genf befand, was ihm die Aura einer internationalen Institution verlieh. Auch die VorgĂ€nger des innovativen Taschenrechners konnten zwar schon auf diese Option zurĂŒckgreifen, mit den erweiterten Funktionen des HP-41C ging es aber erst richtig los und Anfang der Achtziger gab es eine enorme Auswahl kleiner kommerzieller und nichtkommerzieller Programme, die allesamt auf Magnetkarten aus Genf angefordert werden konnten.

Die Erstellung der kleinen Programme ging leicht von der Hand, schon in wenigen Minuten waren die GrundzĂŒge zu beherrschen. Und eine Art „Jailbreak“ gab es auch, die so genannte synthetische Programmierung ermöglichte es, den HP-41 von den Begrenzungen seiner Programmiersprache zu befreien und ihn so sein volles Potenzial entfalten zu lassen. Es erschienen FachbĂŒcher, die anhand von beeindruckenden Beispielen die Erstellung von Programmen zuließen, die mit Bordmitteln vergleichsweise unvorstellbar gewesen wĂ€ren.

Der HP-41C hatte jedoch das Pech, etwa gleichzeitig mit den ersten PCs erhÀltlich zu sein. Und so wurde der einst so sagenumwobene Taschenrechner mit jeder Preissenkung der TischgerÀte immer unbedeutender und verschwand irgendwann wieder in den naturwissenschaftlichen Abteilungen der UniversitÀten sowie in Forschungszentren. Das Potenzial des tragbaren Allround-Genies wurde nie wirklich weiterentwickelt, Taschenrechner blieben Rechenknechte, wohingegen rechnende TischgerÀte immer universeller wurden.

Wer heute das iPhone in HĂ€nden hĂ€lt und den HP-41C noch kannte, der wird den Titel dieses Beitrags schnell verstehen. Das iPhone hĂ€tte auch einer der Nachfolger des HP-41C sein können, allerdings fanden sĂ€mtliche Innovationen andernorts statt. Und so verlaufen manche zunĂ€chst viel versprechende Entwicklungen einfach irgendwann im Sand, weshalb bisherige Besitzer und potenzielle neue Kunden irgendwann das Interesse am Objekt verlieren. Grund hierfĂŒr ist eine meist vorgeblich marktorientierte Entscheidung eines kurzsichtigen oder sogar völlig blinden Managements, das sich vor allem vom schnellen Geld leiten lĂ€sst. Was wohl geworden wĂ€re, gĂ€be es einen Steve Jobs bei Hewlett-Packard?

David Andel