Sind Terminals Apples Zukunft?

Apple auf dem Weg zum Netzcomputer

Als Oracle-Chef Larry Ellison vor gut fĂŒnfzehn Jahren der Welt vom Netzcomputer vorschwĂ€rmte, kam er mit seiner Vision noch bei weitem zu frĂŒh. Kaum jemand wollte solch ein vermeintlich dummes GerĂ€t mit zusĂ€tzlichen monatlichen Kosten bei sich herumstehen haben, wĂ€hrend alles von Belang irgendwo im Netz seinen Platz fĂ€nde. Dies scheint sich dank Apple schleichend zu Ă€ndern.

Der NIC (New Internet Computer) war trotz aller BemĂŒhungen ein erfolgloses Produkt, auch wenn das sein Schöpfer, das ehemalige Apple-Vorstandsmitglied Larry Ellison völlig anders sah. „To bring Internet and email access to anyone who wants it, without the cost and complexity of a PC.“ (Internet und E-Mail fĂŒr jedermann, ohne die Kosten und Schwierigkeiten eines PC), lautete das Leitmotiv, an das sich heute kaum jemand mehr erinnert. Der ab Januar 2000 erhĂ€ltliche NIC war fĂŒr 200 US-Dollar zu haben und fand trotzdem kaum Abnehmer, wohingegen sich der fĂŒnfmal so teure iMac von Apple zum Kassenschlager entwickelte.

Auch wenn sich die GrĂ¶ĂŸenordnungen seither stark verĂ€ndert haben, so entspricht manches GerĂ€t von Apple doch sehr dem Ansatz des NIC Ă  la Ellison. Apple TV beispielsweise verfĂŒgt nur noch ĂŒber einen eingebauten Speicher von acht Gigabyte, was gerade mal einem Film in mittlerer HD-QualitĂ€t entspricht. Man setzt voll auf die Übertragung aus dem Netz, sei es nun dem lokalen oder aber dem Internet. LĂ€ngst hat Apple dabei die Rolle einer TV-Anstalt ĂŒbernommen, die ihre Inhalte nicht etwa vorkonfiguriert per GebĂŒhr oder Monatsbeitrag finanziert, sondern individuell zur Kurzzeitmiete oder zum Kauf anbietet. Beim Kauf werden Filme auf nur einem zentralen Rechner im Haus gespeichert, der dann seine Inhalte allen speicherarmen EndgerĂ€ten zur VerfĂŒgung stellt. Das kann statt einem Apple TV auch ein Mac mini sein, der zwar noch ĂŒber eine 2,5 Zoll große Festplatte verfĂŒgt, die aber fest verbaut und nicht zur NachrĂŒstung vorgesehen ist – die Luxusversion des Netzcomputers sozusagen.

Aber auch ein ausgewachsener Computer wie der iMac ist nicht mehr wirklich dazu gedacht, allzu viel lokal zu speichern. Selbst wer die 135 Euro fĂŒr die maximal verbaute FestplattengrĂ¶ĂŸe von zwei Terabyte investiert, stĂ¶ĂŸt mit EyeTV und einer großen Lossless-Musikbibliothek schnell an seine Grenzen. Eine Verwendung extern angebundener Festplatten mit all ihren Kabeln ist gerade unter Apples Ă€sthetischer orientierten Kunden nicht jedermanns Sache, zumal dies zu Lasten der Zugriffsgeschwindigkeit geht, da der interne S-ATA-Anschluss gegenĂŒber USB 2.0 und selbst FireWire 800 deutlich schneller ist. So könnte der iMac als Netzcomputer mit integriertem Bildschirm gesehen werden, der vorwiegend auf Inhalte im lokalen oder externen Netz zugreift, denn dank multimedialer Nutzung werden die Datenmassen unweigerlich immer grĂ¶ĂŸer.

Nach der Einstellung der Xserve-Reihe, die sich wohl kaum jemand zuhause installiert hĂ€tte, bleibt damit einzig der Mac Pro Apples NachrĂŒstungskönig in Sachen Festplatten. Ein zentraler Mac Pro im Haus kann nicht nur MacBook, iMac und Mac mini als Server dienlich sein, er dĂŒrfte außerdem der ideale Arbeitsrechner sein, zum Beispiel jener, an dem man Final Cut oder iMovie, Photoshop und Aperture betreibt. Auf diese Weise können die restlichen Macs im Haus ohne weiteres spĂ€rlicher ausgestattet und damit auch billiger sein. Alternativ oder zusĂ€tzlich böte sich natĂŒrlich das Internet als Datenzwischenlager an. So lagern unsere E-Mails schon jetzt oft auf entfernten IMAP-Servern, damit wir sowohl vom MacBook als auch vom iMac oder iPhone darauf zugreifen können und alle GerĂ€te auf dem gleichen Stand bleiben. Auch unsere gemeinsamen Kalender können wir so zentral und mit mehreren Personen abgleichen, ebenso unsere AdressbĂŒcher. MobileMe und Google bieten eine FĂŒlle von Optionen zur Nutzung mehrerer GerĂ€te und Personen an, an die wir uns trotz datenschutzrechtlicher Kopfschmerzen lĂ€ngst gewöhnt haben.

Seit Tagen nun kursiert das GerĂŒcht, auch kommende iPhone-Generationen könnten weitgehend auf teuren eigenen Flash-Speicher verzichten und stattdessen auf MobileMe als externes GedĂ€chtnis setzen. Dies wĂ€re der finale Schritt von Apple in einer Strategie, die in letzter Konsequenz zur Verwirklichung des Netzcomputers fĂŒr alle fĂŒhren wĂŒrde, denn auch Mac OS X unterliegt gerade einem Wandel, der es spĂ€testens mit Mac OS X 10.7 Lion weiter an die aufs wesentliche reduzierte Erscheinungsform des iOS heranfĂŒhrt.

Es ist frappierend, als Ellison im Spiegel-Interview vor genau dreizehn Jahren meinte, „Einen NC wird man nicht als Computer anschaffen, sondern als ein GerĂ€t, das einen bestimmten Zweck erfĂŒllt. Sie werden sich zum Beispiel ein Telefon mit Bildschirm kaufen können, ĂŒber das Sie im Schlafzimmer E-Mail lesen können. Den Anfang werden ZusatzgerĂ€te zum Fernseher machen, andere werden folgen.“, nahm er Apples Zukunft fast im Detail vorweg. Fast unbemerkt scheint sich Apple damit zum Hersteller von Netzcomputern unterschiedlichster GrĂ¶ĂŸe zu mausern, die zwar noch durchaus leistungsfĂ€hig sein können, jedoch keine Basis fĂŒr allzu große Ausbaustufen mehr bieten. Jenen Ansatz, den das US-Magazin PCWorld noch auf Platz 9 der zehn schlechtesten PC aller Zeiten sah, verwirklicht sich nun dank verfeinerter Technologien schnellen Schrittes. Apples iPad mit seinen Abo-Modellen fĂŒr Magazine, Programme und Videos sowie seinem eingebauten Bildschirm ist der beste NIC, den es je gab. Und was den Mac angeht, so nĂ€hert sich dieser ebenfalls dem NIC an. Man hat sich als Apple-Anwender lĂ€ngst daran gewöhnt, Ă€ltere Grafikkarten beibehalten oder auf externe USB-GerĂ€te statt interner PCI-Karten setzen zu mĂŒssen. Vor einigen Jahren hat Apple sich außerdem dazu entschlossen, die Festplatte als festverbauten Bestandteil zu sehen, der nur noch im Servicefall ausgetauscht werden soll. Schließlich fĂŒhrte man auf der kommerziellen Software-Ebene mit dem App Store ein Mietmodell ein und scheint nun mit MobileMe eine externe Speicherstrategie verfolgen zu wollen, ĂŒber deren kĂŒnftige Auswirkungen man bestenfalls nur spekulieren kann. Willkommen NIC!

David Andel