Abschied der alten NeXT-Garde

Who comes NeXT?

Mit Bertrand Serlet verliert Apple nach Avadis „Avie“ Tevanian, Jean-Marie Hullot und Jon Rubinstein einen weiteren Pionier aus alten NeXT-Tagen. Der Kreis der langjĂ€hrigen Mitstreiter von Steve Jobs wird immer kleiner. Ein Generationswechsel deutet sich an.

Sie sind allesamt millionenschwer, hatten große Erfolge zu verbuchen und verlassen nun nach und nach das (nicht sinkende) Mutterschiff: Jean-Marie Hullot ging schon vor sechs und Avadis „Avie“ Tevanian vor fĂŒnf Jahren. Nur wenige Wochen nach Tevanian verließ Jon Rubinstein den Konzern. Mit dem gestrigen Abschied von Bertrand Serlet schließlich dĂŒrfte sich der NeXT-Zirkel der Macht in Cupertino deutlich verkleinert haben.

Zur Erinnerung: NeXT war eine von Steve Jobs geleitete Firma und mit ihren Illusionen schon ziemlich am Ende, als sie im Winter 1996 von Apple ĂŒbernommen wurde und mit ihrem Sachverstand seither fĂŒr einen Gutteil der Innovationen von Apple verantwortlich zeichnet. Schnell deutete sich nach der Übernahme an, dass nicht etwa Apple NeXT ĂŒbernommen, sondern eher das Apple-Mutterschiff von NeXT-Piraten geentert worden war. Ehemalige NeXT-FĂŒhrungskrĂ€fte ersetzten jene von Apple und sogar der Vorstandsvorsitzende Gilbert Amelio musste seinen Platz rĂ€umen, um ihn Steve Jobs zu ĂŒberlassen. Nachfolgend ein KurzportrĂ€t jener NeXT-FĂŒhrungskrĂ€fte, die Apple seither wieder verließen:

Avadies „Avie“ Tevanian

Der 51-jĂ€hrige Mathematiker und Computerwissenschaftler gilt neben dem heutigen Microsoft-Mitarbeiter Richard Rashid als einer der VĂ€ter des Mach-Kerns von Mac OS X und iOS. Ironischerweise basiert der Name „Mach“ laut Tevanian auf einem MissverstĂ€ndnis und sollte ursprĂŒnglich MUCK heißen (fĂŒr „Multi-User Communication Kernel“ oder „Multiprocessor Universal Communication Kernel“). Heute zĂ€hlt Tevanian unter anderem zum Direktorium der Dolby Laboratories.

Bertrand Serlet

Der 52-jĂ€hrige Computerwissenschaftler ĂŒbernahm die Rolle des VizeprĂ€sidenten fĂŒr den Bereich der Softwareentwicklung im Juli 2003 von Avadis Tevanian, der damals zum Software-Technologiechef des Unternehmens aufstieg. Der auf zahlreichen Apple-Messeveranstaltungen stets prĂ€sente Serlet war fĂŒr den Konzern viele Jahre lang eine prĂ€gende Erscheinung. In der gestrigen Apple-Pressemeldung hieß es zu seinem Abschied, Serlet wolle sich kĂŒnftig mehr auf die Wissenschaft und weniger auf Produkte konzentrieren.

Jean-Marie Hullot

Der 57-jĂ€hrige Computerwissenschaftler gilt als Autor des Interface Builder und leitete die Teams zur Entwicklung von iCal und iSync. Heute ist er Vorstandsvorsitzender und PrĂ€sident von Fotopedia. Apple-Fans dĂŒrfte er vor allem zur EinfĂŒhrung der ersten Beta-Version von iChat AV durch seine Videokonferenz mit Steve Jobs in Erinnerung geblieben sein, wĂ€hrend derer Hullot vor dem Eiffelturm saß.

Jon Rubinstein

Der 54-jĂ€hrige Computerwissenschaftler und Elektroingenieur hatte bei NeXT niemals eine richtige Chance, sein Potenzial unter Beweis zu stellen, denn sein langjĂ€hriges Projekt der Entwicklung einer Workstation auf RISC-Basis war noch nicht vollendet, als Steve Jobs die Herstellung der NeXT-Hardware fĂŒr beendet erklĂ€rte. Bei Apple war Rubinstein einer der Hardware-VĂ€ter des iPod, eine Kompetenz, die er wohl auch bei Palm/HP spĂ€ter einzusetzen suchte, allerdings mit bislang ausbleibenden Erfolg.

Fazit

Der Fall, dass Apple wie eine Band endet, deren Mitglieder nach und nach nicht mehr mitspielen wollen, bis irgendwann nur noch der Name ĂŒbrig bleibt, dĂŒrfte solange nicht eintreten, wie es Steve Jobs noch gibt. Der primĂ€re Ideengeber verliert lediglich einige seiner langjĂ€hrigen ErfĂŒllungsgehilfen, die jedoch meist schnell und ohne große Reibungsverluste ersetzt werden können, so auch im Falle von Serlet. Auf Serlet folgt der Mittvierziger Craig Federighi, ein ProtĂ©gĂ© von Serlet. Federighi gehört zwar ebenfalls zu den NeXT-Ehemaligen, die Jobs zunĂ€chst zu Apple folgten, hatte den Stammkonzern in Cupertino aber von 1999 bis 2009 verlassen. Offenkundig hatte Serlet sich fĂŒr die RĂŒckkehr Federighis stark gemacht, nicht zuletzt auch aus dem Grund, sich einen spĂ€teren Nachfolger aufzubauen.

Mit den NeXT-Personalien einher geht auch ein schleichender Generationswechsel. Dieser ist zwar weit weniger als eine ĂŒbliche Generation groß, doch wird Apple damit zunehmend ein Unternehmen, in welchem die FĂŒhrungskrĂ€fte unterhalb von fĂŒnfzig Jahre alt sind, was angesichts der Zielgruppe, die heute zu einem bedeutenden Teil aus Musik-, Gadget- und Social-Network-Fans bestehen dĂŒrfte, nicht ganz verkehrt ist.

David Andel