Terrorport Zaventem

Terrorport Zaventem

Der ganz alltĂ€gliche Terror des vor den Stadttoren BrĂŒssels befindlichen Flughafens im flĂ€mischen Zaventem wird keineswegs von fundamentalistischen Wirrköpfen im Gewaltrausch verursacht, sondern ist Gegenstand regionaler wie kommerzieller Interessen menschenverachtender politischer ProvinzfĂŒrsten. Über dem Himmel der dichtbesiedelten Hauptstadt Europas tummeln sich nun schon seit Jahrzehnten tagein, tagaus lĂ€rmende Luftfahrzeuge, die sich um aeronautische Regeln oder die Gesundheit der BĂŒrger BrĂŒssels einen feuchten Kehricht scheren.

In der Nacht vom 5. auf den 6. Februar 2014 erwachten zahlreiche Bewohner des BrĂŒsseler Ostens nicht etwa von den lieblichen GesĂ€ngen der ersten von FrĂŒhlingsgefĂŒhlen getriebenen PiepmĂ€tze, sondern wurden vom tosenden LĂ€rm endloser Blechvogel-Karawanen brutal aus dem Schlaf gerissen. Was damals geschah und vierzehn Monate andauerte, schlug unter dem Namen â€žWathelet-Plan“ ein weiteres trauriges Kapitel in der Geschichte jener Stadt auf. Die LĂ€rmschleuder in Zaventem ist schon lange eine zur Ausgeburt der Hölle angewachsene Großbaustelle, die dem BrĂŒsseler BĂŒrger außer Billiglohn-BeschĂ€ftigungsverhĂ€ltnissen kaum Positives bringt. Eine Stadt BrĂŒssel wohlgemerkt, in der sich nicht nur zahlreiche nationale, europĂ€ische und internationale Institutionen befinden, sondern die zudem ĂŒber ein schienengebundenes europĂ€isches Drehkreuz erster GĂŒte verfĂŒgt, treffen dort doch TGV/Thalys, ICE und auch der Eurostar aufeinander, sodass weder Paris noch London weiter entfernt sind als etwa in Deutschland per S-Bahn Hanau von Wiesbaden.

Alle Vorteile des Flughafens gehören nach Flandern, sĂ€mtliche Nachteile nach BrĂŒssel, so die primitive Strategie von Zaventem-Betreibern und -GĂŒnstlingen. Das geht so weit, dass man zwar ein ĂŒbliches BrĂŒsseler Taxiunternehmen nutzen kann, um vom Stadtzentrum zum Flughafen zu fahren, nicht jedoch umgekehrt, da nur in Zaventem zugelassene Unternehmen ĂŒber die Genehmigung verfĂŒgen, dort eintreffende Reisende aufzunehmen, was immer wieder zu Auseinandersetzungen nicht nur zwischen Taxifahrern fĂŒhrt. Die flĂ€mische Vision BrĂŒssels – mutmaßlich aller anderen GroßstĂ€dte auch – ist die eines Dreckhaufens, ĂŒber welchem man x-beliebigen Abfall abladen kann, sodass die Einnahmen des scheinbar unabhĂ€ngigen Flanderns weiter vermehrt werden können. Unzufriedene StĂ€dter können ja in den BrĂŒsseler SpeckgĂŒrtel Flanderns ziehen, der die belgisch-europĂ€ische Kapitale wie einst die DDR-Mauer Berlin von jeglichem Wachstum abhĂ€lt. Das in Flandern derart kĂŒnstlich aufrecht erhaltene Idyll ist jedem zugĂ€nglich, der sich dem Diktat des flĂ€mischen Nationalismus samt dorfspezifischem Kauderwelsch und Fremdenhass unterwirft, weshalb auch der LĂ€rm der Flugzeuge stören wĂŒrde.

Nicht, dass es sich um das einzige Kapitel flĂ€mischer Obstination handelte, mit dem „Krachhafen“ Zaventem wird diese Attitude aber besonders deutlich, wundern sich doch auch betroffene Piloten, weshalb BrĂŒssel ĂŒberhaupt ĂŒberflogen werden soll. So gĂ€be es in Richtung des flĂ€mischen Grimbergen nichts als GrĂŒn, Felder und kleine WĂ€lder ĂŒberall, wohingegen andere Richtungen dicht besiedelt wĂ€ren. Von oben gesehen wĂ€re die Vermeidung des Überflugs der Stadt BrĂŒssel offenkundig und das Abdrehen der Maschine nach rechts in den flĂ€mischen Norden direkt nach dem Start technisch möglich. Der Wind rechtfertige die andauernden Richtungswechsel nicht, sodass es sich dabei um einen rein politisch motivierten Vorgang handele. Die verantwortlichen KrĂ€fte sollten sich ganz einfach der Daten anderer Flughafen bedienen, bei denen es in Ă€hnlichen Situationen weder wirtschaftliche Einbußen noch gesundheitliche Konsequenzen gegeben hĂ€tte, so der Pilot weiter.

„Das Verkehrsaufkommen des (Londoner Flughafens) Gatwick ist viermal so hoch wie jenes von BrĂŒssel, wobei (im Gegensatz zu Zaventem) nur eine einzige Start- und Landepiste zur VerfĂŒgung steht. Folglich kann ein Großflughafen sehr gut mit nur einer Piste auskommen. Gleiches gilt fĂŒr DĂŒsseldorf.“, so das Fazit des Piloten. Ganz anders sehen dies jedoch Planer, Flugbehörden und vor allem flĂ€mische Politiker, die nun schon jahrzehntelang das insistente Überfliegen einer Millionenstadt favorisieren, deren Bewohner damit nicht nur ohnmĂ€chtige Zeugen der Wertminderung und Verwahrlosung ganzer Stadtteile sind, sondern auch noch Opfer unzĂ€hliger Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden, die jĂ€hrliche Kosten in Höhe von 63 Millionen Euro sowie die Betroffenen zudem den Verlust von „Lebensjahren guter Gesundheit“ verursachten. Die bislang noch nicht bezifferte Opferzahl, die Zaventem bereits auf dem Gewissen hat, dĂŒrfte fĂŒr sich alleine genommen sehr viel höher liegen als die 11 Toten und 100 Verletzten des Terroranschlags vom 22. MĂ€rz 2016.

Wer sich jemals genauer mit der vorgeblichen flĂ€mischen Effizienz auseinander gesetzt hat, der wird spĂ€testens beim Blick auf die – kaum ĂŒberraschend – nur schwer verfĂŒgbaren flĂ€mischen Euthanasie-Statistiken erschauern, da in Flandern um ein vielfaches Mehr mit Ă€rztlichem Segen umgebracht wird. Kostspielige medikamentöse Behandlungen können so vermieden und das Schauspiel des kosteneffizienten Nordbelgiers weiter aufgefĂŒhrt werden. Insofern verwundert es wenig, wenn die Leben der BrĂŒsseler nur allzu gerne aufs Spiel gesetzt werden, verbleiben die Kosten dafĂŒr doch andernorts. Jeder Nagel im Sarg des linguistischen Gegners scheint als willkommene Maßnahme gutgeheißen zu werden.

BrĂŒssel ist aber kein krach- und dreckverliebtes GewalttĂ€ter-Babylon. BrĂŒssel gehört wie Rotterdam oder Haifa zu den wenigen multikulturellen und kĂŒnstlerisch wie gastronomisch unglaublich vielfĂ€ltigen StĂ€dten ĂŒberhaupt, die sich trotz aller teilweise extremen GegensĂ€tze oder gerade deswegen ihre höchsteigene Persönlichkeit bewahren konnten. In BrĂŒssel gibt es schon an einem Tag und in einer Straße mehr Vielfalt, Abwechslung und Abenteuer als im gesamten Antwerpen mehrerer Generationen, trotz aller Anstrengungen des flĂ€mischen Hafenkaffs, dem mit allerlei Großmannssucht entgegenzuwirken. Eine Großstadt ist eine Großstadt, weil sie eine ist und nicht etwa, weil sie gerne eine wĂ€re. Und zu einer Großstadt gehört es auch, die Gefahren zu bewĂ€ltigen, die sich aus dem Zusammenleben ihrer zahlreichen Bewohner ergeben. Störkomponenten, die sich unzutrĂ€glich auf ein harmonisches menschliches Miteinander auswirken könnten mĂŒssen daher unter allen UmstĂ€nden vermieden werden. Menschliche Siedlungen sind keine SchuttabladeplĂ€tze, sondern exemplarische Zivilisationsmodelle. Diese aus fadenscheinigen GrĂŒnden bewusst mit LĂ€rm und anderen Gemeinheiten zu bombardieren ist nichts anderes als eine aus Feigheit unausgesprochene KriegserklĂ€rung.

Abgesehen vom fortwĂ€hrenden LĂ€rmbombardement stellen sich jedoch weitere Fragen vor allem im Zusammenhang mit den zahlreichen in BrĂŒssel befindlichen Institutionen der EU (EuropĂ€ische Kommission, Rat der EuropĂ€ischen Union, EuropĂ€ische Verteidigungsagentur, Exekutivagentur fĂŒr Bildung, Audiovisuelles und Kultur, Exekutivagentur des EuropĂ€ischen Forschungsrates, Exekutivagentur fĂŒr kleine und mittlere Unternehmen, Exekutivagentur fĂŒr die Forschung, Exekutivagentur fĂŒr Innovation und Netze, EuropĂ€ische Freihandelsassoziation sowie die EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs und des EU-KommissionsprĂ€sidenten im Rahmen des EuropĂ€ischen Rates) wie auch des transatlantischen KriegsbĂŒndnisses NATO. Wie lange es wohl dauern mag, bis ein lebensmĂŒder Pilot der Verlockung nicht mehr widerstehen kann, sein irdisches Dasein genau dort mit einem selbst fĂŒr die NATO ĂŒberraschenden finalen Kollateralschaden zu beenden? Dramatische FĂ€lle suizidĂ€rer Soziopathen mit Pilotenschein gibt es zwischenzeitlich mehrfach. Hinzu kommt die beim Start und der Landung erhöhte Unfallgefahr, wofĂŒr es ebenfalls etliche Beispiele gibt. WĂ€re dies der noch zu zahlende Preis unverstĂ€ndlicher flĂ€mischer Perseveranz, den wir alle akzeptieren sollen, der jedoch weder Flandern noch BrĂŒssel irgendwelche Vorteile bringt?

Das Inkrafttreten der seit 17 Jahren immer wieder des politischen Schacherns zuliebe ausgesetzten aber schlussendlich aufgrund einer in BrĂŒssel vorwiegend unbeliebten flandernfreundlichen rechtsextrem-liberalen Föderalregierung nun RealitĂ€t werdenden LĂ€rmschutzverordnung fĂŒhrte in den letzten Monaten zu absonderlichen Panikattacken der populistischen Nationalisten aus den Reihen der N-VA, die ihren finanziellen Profit aus den GeschĂ€ften mit den bislang nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten erteilten Überflugrechten BrĂŒssels in Gefahr sehen. So werden seither immer neue ArbeitsplatzmĂ€rchen und Schreckensvisionen vom vorzeitigen Flughafentod verkĂŒndet, deren Wahrheitsgehalt jedoch bestenfalls fragwĂŒrdig ist. Vorzeitiger Höhepunkt sind bislang zwei Interessenkonflikt-Verfahren Flanderns, die die Verordnung zum Schutze der Gesundheit und LebensqualitĂ€t der BrĂŒsseler BĂŒrger schlimmstenfalls bis zum 20. April verhinderten. Anschließend wĂŒrden jene Fluggesellschaften, die den fortan prĂ€zise festgesetzten und keinesfalls unĂŒblichen maximalen LĂ€rmpegel beim Überflug der Stadt ĂŒberschreiten, Strafen bis zu 62.500 Euro zahlen mĂŒssen, was Flandern wiederum die Wahl der Grimbergen-Route attraktiver erscheinen lassen könnte.

BrĂŒssel von jeglichem Wachstum abzuhalten, es dann mit einem kommerziellen SpeckgĂŒrtel zu wĂŒrgen, 340.729 (2015) luftverpestende und von der Infrastruktur der Stadt profitierende Pendler (Diesel-Rußpartikelfilter funktionieren erst oberhalb einer Strecke von etwa 25 Kilometern – 620 Tote hat BrĂŒssel alljĂ€hrlich aufgrund von Luftverschmutzung zu beklagen, mehr als Paris oder London) in einen dadurch von zahllosen Staus verstopften Stadtkern zu schicken, per Terrorport Zaventem zu ĂŒberfliegen und schließlich sĂ€mtliche Gelder fĂŒr all das abkassieren zu wollen, ist eine schwer zu ĂŒberbietende Niedertracht. BestĂŒnde diese Situation nicht so, wie sie von Flandern eindeutig gewollt ist, wĂ€re das Problem binnen weniger Monate zu lösen, schon alleine weil nur eine Stadt und keine töricht miteinander konkurrierende Sprachregionen fĂŒr dieses Problem Sorge zu tragen hĂ€tte. Ob das flĂ€mische Zaventem wahrlich daran Interesse haben sollte, seinen Ruf von einem „Terrorport“ mit allen derzeitigen und abzusehenden Folgen beherrschen zu lassen?

David Andel