Zauberkaninchen

Keine Kaninchen ohne Ende

In einem Artikel der britischen Zeitung „The Independent“ stellt Autor Ian Burrell die gewagte These auf, dass Apple die LoyalitĂ€t seiner Anwenderschaft allmĂ€hlich aber sicher ĂŒberreize. Das schlimme daran ist, seine Argumente klingen schlĂŒssig.

Burrells lesenswerter Beitrag holt recht weit aus und ist zudem reich an Zitaten. Apple wĂ€re laut dem Finanzmagazin Barron’s zwar in den Augen von Investoren mittlerweile der angesehenste Konzern der Welt und sogar grĂ¶ĂŸer noch als Microsoft und selbst PetroChina, doch mehrten sich die kritischen Stimmen vor allem aufgrund des Apple-Konzepts vom „ummauerten Garten“, wie es beispielsweise letzte Woche auf einer Veranstaltung von Mobilfunknetzbetreibern geheißen hĂ€tte. Die Netzbetreiber sĂ€hen sich in ihren Netzen mit zunehmend luxuriösen iOS-Apps konfrontiert, von denen zwar Apple ordentlich profitiere, sie jedoch nicht. Auf Verlegerseite wiederum wĂŒrde Googles neues One-Pass-Bezahlsystem in den höchsten Tönen gelobt, wĂ€hrend es ĂŒber das Apple-System mit seinem dreißigprozentigen Obulus vor allem Beschwerden gebe.

Laut Paul Bradshaw, einem Professor fĂŒr Online-Journalismus der City University London und der Birmingham City University nimmt die Unzufriedenheit mit Apple seitens der Verleger, Entwickler und Anwender stetig zu. Und obgleich er selbst seit langem Apple-Produkte verwende, habe er sich beispielsweise gegen den Einsatz eines iPad entschlossen, da dieser fĂŒr anspruchsvollere Anwender beim Umgang mit Inhalten zu restriktiv wĂ€re.

In seinem demnĂ€chst erscheinenden Buch „The Future of Business is Letting Go“ (Die Zukunft des GeschĂ€ftserfolges ist das Loslassen) stellt der Verfasser Martin Thomas fest, dass heute die Grundvoraussetzung fĂŒr einen erfolgreichen Ansatz wĂ€re, dass man in seiner Vorgehensweise wesentlich lockerer und offener sei, wohingegen Apple genau das Gegenteil tĂ€te.

Apples Erfolg beruhe im wesentlichen darauf, welche Kaninchen Steve Jobs und sein Chefdesigner Jonathan Ive jeweils aus dem Hut zögen, was bislang auch ausgezeichnet gelungen wĂ€re. Die Marke sei mittlerweile jedoch derart erfolgreich, dass es immer mehr Nachahmer gebe. Auch gelte die berĂŒhmte Macintosh-Werbung aus dem Jahr 1984 nicht mehr, denn Apple habe bereits die Macht ĂŒbernommen, so dass die ehemals konspirativen Ideen des einstigen Rebellen lĂ€ngst eine Vorreiterrolle ĂŒbernommen hĂ€tten. So meint der Markenstratege Coley Porter Bell, dass Apple uns auf brillante Weise als Saat seines heutigen Erfolges eingesetzt hĂ€tte, nun aber die rigideste und autoritĂ€rste Marke ĂŒberhaupt geworden wĂ€re.

Die Strategie Apples wĂ€re nach wie vor, einzelne Produkte so attraktiv zu machen, dass Interesse an anderen Angeboten des Herstellers entstĂŒnde. So fĂŒhre der Kauf eines Apple-Laptops zum Kauf eines iPod, der wiederum zur Nutzung des iTunes Store verleite. Mittlerweile nehme die Kritik an der Geschlossenheit des Systems aber in einer Form zu, dass diese auch auf deren treue Anwender abfĂ€rben könne. Der Medienblogger Alex Benady sah sich frĂŒher wie andere Apple-Anwender auch noch als Teil einer Befreiungsfront, die einen mit einem guten GefĂŒhl an der Stange hielt und nicht erkennen ließ, dass einen dieser Weg nur an einen Ort fĂŒhren wĂŒrde, an dem weitere Apple-Produkte gekauft werden könnten.

So kursierte in Anspielung auf Steve Jobs als Erlöser der Presse zunĂ€chst in Verlegerkreisen der iPad-Spitzname „Jesus-Tablett“, woraufhin aber nach Bekanntgabe der dreißigprozentigen Abgabe an Apple eine deutliche ErnĂŒchterung folgte. Und bedenkt man, welche Kosten traditionelle und oft monopolistische Vertriebswege fĂŒr Druckerzeugnisse bislang verursachen, so ist es nicht verwunderlich, dass man sich unter neuen VertriebskanĂ€len keine neuen Vertriebsmonopole mit neuen horrenden Abgaben vorgestellt hatte.

Solange die Erfahrungen auf der Anwenderseite aber wirklich besser blieben als dies bei konkurrierenden Systemen der Fall wĂ€re und stets neue Produkte und Dienstleistungen folgten, hielten die Kunden wohl auch weiterhin zu Apple. Angesichts des Gesundheitszustandes des Apple-Chefs befinde sich Apple jedoch nicht mehr in einer Position der Nachhaltigkeit und es könne nicht erwartet werden, dass laufend neue Kaninchen aus dem Hut gezogen wĂŒrden.

David Andel