Die Einsamkeit des Betatesters

WohltÀter der IT-Konzerne

Er arbeitet tĂ€glich ehrenamtlich oft stundenlang, mit grĂ¶ĂŸter Sorgfalt und Fachwissen, protokolliert jeden seiner Schritte, setzt eigene Arbeitsmittel ein und schreckt auch vor Überstunden Nachts und am Wochenende nicht zurĂŒck. Wer ist das? Richtig, ein Betatester!

Bei der EinfĂŒhrung neuer Software-Versionen wird er nur selten gewĂŒrdigt, prinzipiell erhĂ€lt er so gut wie nie Dank, weder seitens des Herstellers, der Presse noch der Kundschaft. So gerĂ€t dann allmĂ€hlich immer mehr in Vergessenheit, dass das Endergebnis zahlreicher Produkte bei weitem nicht alleine auf der Arbeit bezahlter FachkrĂ€fte des Herstellers beruht, sondern ausgesprochen viel auch dem unermĂŒdlichen Einsatz jener zu verdanken ist, die ihr Fachwissen und ihren Perfektionismus aus Idealismus kostenlos zur VerfĂŒgung stellen.

BerĂŒcksichtigt man die MilliardenumsĂ€tze von Herstellern wie Apple, muss es schon als heftige Ausbeutung erscheinen, wenn das stille Heer der testenden Endanwender und Entwickler, das zur letzten Instanz der QualitĂ€tskontrolle zĂ€hlt, so gut wie völlig leer ausgeht, was die FrĂŒchte seiner Arbeit angeht. Einziger Erfolg ist bestenfalls, wenn der gefundene Fehler in der Endversion auch behoben wird, was aber keineswegs immer der Fall ist.

Die Abarbeitung mancher Fehlerlisten benötigt schon mal ein paar Jahre, das kann durch einen Wechsel der PrioritĂ€ten aber auch durch simplen Personalmangel des Herstellers begrĂŒndet sein. Auch in Cupertino ist es gang und gĂ€be, dass manche Fehlverhalten nur deswegen nicht angegangen werden, weil plötzlich iPhone und iPad wichtiger sind als Mac OS X und der Mac. Und anstelle der Rekrutierung neuer FachkrĂ€fte, wird lieber zu Lasten der Kunden gespart und stattdessen auf die lange Bank geschoben. NatĂŒrlich passiert es dann auch viel zu oft, dass die irgendwann fehlerbereinigte Version zum Upgrade und damit kostenpflichtig wird.

Dramatischer allerdings die Situation auf Seiten der Ausgebeuteten, die dieses unverblĂŒmt systematische Hersteller-Schmarotzertum noch nicht einmal als solches empfinden. Schließlich erhĂ€lt der geneigte Betatester ja nicht selten kostenlose Vorabversionen und weiß damit weit besser ĂŒber all das Bescheid, was gewöhnlich sterbliche Kunden erst am Tag des offiziellen Verkaufs erfahren. Der Preis, den er dafĂŒr zahlt, ist allerdings heftig. Stundenlanges Testen auf den eigenen Computern, immer wieder Installation auf Installation, immer wieder die ÜberprĂŒfung derselben Bereiche, nicht selten verbunden mit heftigen AbstĂŒrzen und dramatischen Fehlverhalten. Aber das heutige Wissen um die Ausstattungsmerkmale und LeistungsfĂ€higkeit von morgen ist es doch wert, oder? Nein, denn reden darf die so vorab informierte Testperson ĂŒber ihren Informationsvorsprung ja nicht. Nur in internen Foren dĂŒrfen Eingeweihte untereinander kommunizieren, nicht jedoch mit der gerĂŒchteempfĂ€nglichen Außenwelt.

Jene internen Foren haben es aber nicht selten in sich. Als der Betatester Erich Mustermann (Name auf Wunsch des Betroffenen geĂ€ndert) einmal die Erfahrungswerte eines Nicht-Testers mit in eine Diskussion einbringen wollte, wurde dies keineswegs als willkommene Erweiterung der Diskussionsgrundlage gutgeheißen, sondern als Verrat interner Geheimnisse an Außenstehende scharf kritisiert. SpĂ€ter stellte sich zwar heraus, dass dies bei der fraglichen Vorgehensweise auch aus der Sicht des Herstellers keineswegs der Fall war, der Haussegen hing dann jedoch bereits schief, von einer am gleichen Strang ziehenden Gemeinde Eingeweihter konnte da schon keine Rede mehr sein.

Was auch immer einen Menschen dazu bewegt, einem schwerreichen und so gut wie nie wohltĂ€tig agierendem Unternehmen mit kostenloser Arbeit unter die Arme zu greifen, sei dahingestellt. Das Prinzip des unbezahlten Betatesters ist und bleibt ein fragwĂŒrdiges und wird auch nicht unbedingt dadurch sinnvoller, weil vielleicht der ein derzeit störender Fehler irgendwann einmal behoben wird. Arbeit muss bezahlt werden, ansonsten ist ein Leben in einer geldorientierten Gesellschaft nicht möglich.

David Andel