Apples Marktstand

App, Apple, Applaus?

Obgleich es auch vor dem „Back To The Mac“-Ereignis zahlreiche GerĂŒchte gab, hatte doch niemand mit der EinfĂŒhrung eines App Store fĂŒr Mac OS X gerechnet. Ein neues MacBook Air? Absolut! Einen Ausblick auf Mac OS X 10.7 Lion? Klar! Eine neue Version von iLife? Logisch! Die Nutzung von FaceTime mit Mac OS X? Möglich! Einen App Store fĂŒr Mac OS X? Quatsch! WĂ€hrend der App Store fĂŒr mobile GerĂ€te unabdingbar erscheint, geht es hier doch schließlich um die sicherheitsbewusste Verwaltung begrenzter Ressourcen, erscheint ein App Store fĂŒr den Mac zumindest absurd. Was bringt das Ganze also?

Die Vorteile? Einerseits profitiert der Kunde von einer solchen Vertriebspolitik, da eine höhere UniformitĂ€t und Sicherheitskontrolle zur Verbesserung der StabilitĂ€t beitragen werden. Und dass er die zahlreichen Gratisanwendungen seiner mobilen GerĂ€te kĂŒnftig womöglich auch auf dem Mac nutzen kann, wird er mit Begeisterung aufnehmen. Ob die GeschĂ€ftsmodelle mit integrierter Werbung aber ĂŒber die systemweiten Filtermöglichkeiten von GlimmerBlocker bis Little Snitch hinwegkommen, sei dahingestellt. Aufgrund zentral verfĂŒgbarer und lokalisierter Rezensionen kann er bei kommerziellen AnsĂ€tzen seine Kaufentscheidung treffen, oft auch nachdem er vorab eine Light-Version des Produktes mit reduziertem Funktionsumfang getestet hat. FĂŒr sein Geld erhĂ€lt er dann nicht nur automatische Updates, sondern auch die optionale Installation auf sĂ€mtlichen Macs in seinem Haushalt. Andererseits ist der große Gewinner natĂŒrlich Apple. Fortan weiß Cupertino besser ĂŒber die Verkaufszahlen der auf seiner Plattform laufenden Anwendungen Bescheid, was auch fĂŒr kĂŒnftige Investitionsabsichten ein wertvolles Gut darstellt. Ob jedoch Unternehmen wie Adobe dazu bereit sind, sich einer solch totalen Kontrolle zu unterwerfen?

Die Nachteile? Da wĂ€re einerseits der Kunde, der vor allem bei kleineren Unternehmen, die bereits auf Direktbezug setzen, Apples dreißigprozentigen Obulus zusĂ€tzlich wird zahlen mĂŒssen. Und andererseits der klassische Handel, der nach der heftigen Konkurrenz durch bestens ausgestattete Apple Stores an immer mehr Standorten kĂŒnftig auf eine weitere Einnahmequelle wird verzichten mĂŒssen, nĂ€mlich die UmsĂ€tze mit Software fĂŒr Mac OS X. Schon zuvor ging er diesbezĂŒglich bei iPhone und iPad leer aus, nun wird die Luft noch etwas dĂŒnner. Ähnlich sieht es fĂŒr den Vertrieb aus, der in nicht seltenen FĂ€llen auch die Lokalisierung und den Support fĂŒr die betreuten Produkte ĂŒbernahm, hier werden ganze GeschĂ€ftsmodelle zerstört oder massiv verĂ€ndert. Und Apple-Entwickler schließlich machen sich noch abhĂ€ngiger von der einen Überinstanz, die durchaus auch mal zur willkĂŒrlichen Entscheidung fĂ€hig ist. Schon jetzt bezeichnen einzelne von ihnen die Entwicklung als eine Art SchlĂŒssellochprogrammierung, die mit dem „Full Monty“ der traditionellen Entwicklung unter Mac OS X nur wenig gemein hat.

SĂ€mtliche Auswirkungen des neuen App Store werden sich erst nach und nach offenbaren. So können natĂŒrlich nicht nur die zahlreichen Spiele oder kleinen Software-Helferlein, sondern auch die interaktiven Presserzeugnisse in Text-, Ton- oder Bildform vieler Medienunternehmen vermarktet werden. Ein Betriebssystem mit eingebautem Lizenzierungsmechanismus ist schließlich fast so schön wie eine RundfunkgebĂŒhr fĂŒr alle neuartigen EmpfangsgerĂ€te auf Abruf. Das Gegenteil der Kostenloskultur ist allerdings nichts anderes als eine Bezahlhölle.

Der datenschutzrechtliche Aspekt der diversen Apple-Vertriebsoptionen lĂ€sst einen mittlerweile erschaudern. Schon wer sich seine Musik per iTunes und nicht mehr im Laden auf einem TontrĂ€ger besorgt, ist glĂ€serner Kunde. Wenn dann noch Anwendungen und digitale BĂŒcher fĂŒr iPad, iPhone, iPod und Mac dazukommen, entsteht ein Nutzerprofil, welches durch GPS-Daten und bargeldlose EinkĂ€ufe in den verschiedenen Apple Stores der Welt eine digitale FĂ€hrte höchster kommerzieller QualitĂ€t hinterlĂ€sst. Nur Facebook und Google wissen wahrscheinlich mehr, obgleich deren Daten womöglich von geringerem Wert sind.

Unberechenbar jedoch fĂŒr alle Lösungen werden die recht intensiven Anstrengungen von Crackern und Hackern sein, den App Store von seinen NutzungsbeschrĂ€nkungen per „Jailbreak“ zu befreien. Und nur wenn es ein wirklich niet- und nagelfestes Sicherungskonzept gibt, ist auch der kommerzielle Erfolg zumindest theoretisch denkbar. Die Zielgruppe der Mac-Anwender ist aber von ganz anderem Kaliber als die technisch weit weniger versierten iPhone-, iPod- oder iPad-Anwender, so dass die zu erwartende Wirklichkeit der schönen neuen App-Welt womöglich nicht ganz der Erwartungshaltung von Apple und seinen Kunden entspricht.

David Andel